b.1024: Beschwerde an die UBI zu SRF-Sendungen vom 3.11.2024 mit dem ehemaligen Impfchef

Die Beschwerde b.1024 ist die erste von zwei Popularbeschwerden, die #ProtectTheKids bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI gegen eine Serie von vier SRF-Sendungen mit dem ehemaligen Impfchef der Nation eingereicht hat.

In der Beschwerde wird SRF kritisiert, in den Beiträgen mit dem Impfchef irreführende und zum Teil falsche Aussagen zu Infektionsrisiken und zu den Schutzwirkungen der Corona-Impfung im Zeitraum 2021/2022 ohne jede Einordnung und ohne eigene Prüfung (Faktencheck) im Stile eines unkritischen bis tendenziösen Verlautbarungsjournalismus wiedergegeben zu haben.

Die Kritik von #ProtectTheKids richtet sich auch gegen die Verharmlosung der Infektionsfolgen bei Kindern und Jugendlichen, gegen irreführende Aussagen zur (verlorenen) Solidarität in der Pandemiebekämpfung und gegen das tendenziöse Framing von gesundheitspolitischen Massnahmen der öffentlichen Hand als (unnötige) «Einschränkungen».

Die öffentliche Beratung der UBI zu b.1024 fand am 3. April 2025 statt und warf mehr Fragen auf als sie beantwortete. In einer ersten Stellungnahme informierte #ProtectTheKids am 16. April 2025 über den Verlauf der Beratung und den ablehnenden Entscheid der UBI.

#ProtectTheKids ist der Auffassung, dass es für eine sorgfältige Beurteilung einer wissenschaftlich fundierten und sorgfältig nach Problembereichen gegliederten Beschwerde unerlässlich ist, die Frage der Sachgerechtigkeit der als irreführend, verharmlosend oder unzutreffend bezeichneten Aussagen im Einzelnen und für jeden der angegebenen Problembereiche auf der Grundlage der vorgebrachten und durch wissenschaftliche Quellen belegten Kritikpunkte zu prüfen.

Mit Befremden hat #ProtectTheKids zur Kenntnis genommen, dass die UBI auf die konkreten Kritikpunkte der Beschwerde nicht im Einzelnen eingegangen ist. Insbesondere hat die UBI nicht festgehalten, ob sie die Kritikpunkte und Richtigstellungen anhand der angegebenen Quellen überhaupt geprüft hat und ob sie diese für zutreffend hält.

Durch Veröffentlichung der Beschwerde, des Schriftenwechsels mit SRF und einer kommentierten Zusammenfassung der öffentlichen Beratung der UBI schafft #ProtectTheKids nun vollständige Transparenz über das UBI-Verfahren zu b.1024.

#ProtectTheKids
27. April 2025, 23:00: Veröffentlichung der Beschwerde b.1024, der Beanstandungen B1 und B2 an die Ombudsstelle SRG.D (Beilagen zu b.1024), der Beschwerdeantwort von SRF, der Erwiderung auf die Beschwerdeantwort, der Duplik von SRF und der Zusammenfassung der öffentlichen Beratung.

Inhalt

  1. Popularbeschwerde an die UBI
  2. Beanstandungen an die Ombudsstelle SRG.D
  3. Beschwerdeantwort von SRF
  4. Erwiderung auf die Beschwerdeantwort
  5. Duplik von SRF
  6. Zusammenfassung der öffentlichen Beratung

Popularbeschwerde an die UBI

Datum: 22.01.2025

Die Beschwerde b.1024 vom 17.01.2025

betrifft folgende Publikationen:

P1: Tagesschau-Beitrag «Corona: Schweizer Impf-Chef räumt Fehler ein» vom 03.11.2024
P2: SRF-News Online-Beitrag «Impfchef Berger wäre heute zurückhaltender mit Empfehlungen» vom 03.11.2024

Bei der am 22. Januar 2025 eingereichten Beschwerde b.1024 handelt es sich um die erste von zwei Popularbeschwerden gegen insgesamt vier SRF-Sendungen, welche #ProtectTheKids bei der UBI eingereicht hat. In der Beschwerde wird SRF kritisiert, in Beiträgen mit dem ehemaligen Impfchef der Nation im Stile eines unkritischen bis tendenziösen Verlautbarungsjournalismus irreführende und zum Teil falsche Aussagen zu Infektionsrisiken und zu den Schutzwirkungen der Corona-Impfung im Zeitraum 2021/2022 ohne jede Einordnung und ohne eigene Prüfung (Faktencheck) wiedergegeben zu haben.

Die Kritik von #ProtectTheKids richtet sich auch gegen die Verharmlosung der Infektionsfolgen bei Kindern und Jugendlichen, gegen irreführende Aussagen zur (verlorenen) Solidarität in der Pandemiebekämpfung und gegen das tendenziöse Framing von gesundheitspolitischen Massnahmen der öffentlichen Hand als (unnötige) «Einschränkungen».

Die beanstandeten Aussagen der in b.1024 gerügten Sendungen P1 und P2 wurden insgesamt sieben Problembereichen zugewiesen und anhand wissenschaftlicher Studien eingeordnet und richtiggestellt, wobei jede beanstandete Aussage als unzutreffend, irreführend oder verharmlosend charakterisiert wurde. Die Beschwerde rügt eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots Art. 4 Abs. 2 RTVG in dreierlei Hinsicht:

A.  Distanzlose, unkritische Wiedergabe von unzutreffenden, irreführenden oder verharmlosenden Aussagen;
B.  Tendenziöses Framing von Schutzmassnahmen als unnötige «Einschränkungen» und von Corona-Tests als «sehr begrenzt sinnvoll für Laien»; und
C.  False Balancing bei der Nutzen-Risiko-Beurteilung der COVID-Impfung.

Beanstandungen an die Ombudsstelle SRG.D

Die Beanstandungen B1 vom 22.11.2024 und B2 vom 23.11.2024 beziehen sich auf P1 und P2. Sie wurden der Beschwerde b.1024 als Beilagen hinzugefügt.

b.1024 nimmt Bezug auf Aussagen aus P1 und P2, die in B1 bzw. B2 transkribiert und nummeriert wurden.

Beschwerdeantwort von SRF

Datum: 20.02.2025

Inhalt: Stellungnahme der Beschwerdegegnerin (SRF) zur Beschwerde b.1024 vom 22.01.2025.

Erwiderung auf die Beschwerdeantwort

Datum: 10.03.2025

Inhalt: Replik des Beschwerdeführers auf die Beschwerdeantwort vom 20.02.2025.

Duplik von SRF

Datum: 27.03.2025

Inhalt: Antwort der Beschwerdegegnerin auf die Erwiderung vom 10.03.2025.

Zusammenfassung der öffentlichen Beratung

Öffentliche Beratung der Beschwerde b.1024 durch die UBI am 03.04.2025.

Hinweise zur Zusammenfassung

Weil es nicht möglich ist, ein vollständiges, im Wortlaut exaktes Protokoll zu erstellen und gleichzeitig den Ausführungen der UBI zu folgen, und weil das Erstellen einer Tonaufnahme von der UBI «in ständiger Praxis» nicht gestattet wird, haben die fünf anwesenden Mitglieder von #ProtectTheKids eine Paraphrasierung erstellt, welche die Aussagen der UBI-Mitglieder sinngemäss wiedergibt.

Aussagen der UBI-Mitglieder, die sinngemäss wiedergegeben werden, stehen in indirekter Rede. Alternativ werden sie mit “<Kürzel> {berichtet|weist darauf hin|…}, dass …” umschrieben.

Aussagen und Ausdrücke der UBI-Mitglieder, die im Wortlaut protokolliert werden konnten, sind mit Guillemets « … » als Zitate gekennzeichnet.

Die vorliegende Zusammenfassung beruht auf Notizen von drei #ProtectTheKids-Mitgliedern während der Beratung der UBI sowie auf Ergänzungen und Eindrücken, die von den fünf anwesenden Mitgliedern unmittelbar danach aus dem Gedächtnis niedergeschrieben wurden.

Weder Verfahrensbeteiligte noch andere Personen ausserhalb der UBI können sich an Beratungen der UBI zu den behandelten Beschwerden äussern.

Eine für die anwesenden Mitglieder von #ProtectTheKids sehr unbefriedigende Situation, da bereits nach wenigen Aussagen der UBI-Referentin klar wurde, dass hier keine sorgfältige Auseinandersetzung mit der wissenschaftlich fundierten Kritik der Beschwerde b.1024 an den irreführenden und unzutreffenden Aussagen und der distanzlosen Wiedergabe durch SRF angestrebt wurde.

Umso mehr, als Mitglieder der UBI mit Aussagen und Begriffen aus dem Repertoire der Impf- und Massnahmenkritiker:innen den Eindruck der Voreingenommenheit noch verstärkten und die in b.1024 als falsch identifizierte Aussage «Impfung schützt nicht vor Ansteckung» im Verlauf der anschliessenden Beratung zu b.1014, SRF, Nichtberichterstattung über RKI-Protokolle, gleich selber mehrfach wiederholten.

#ProtectTheKids nimmt sich daher die Freiheit, die Aussagen der UBI-Mitglieder hier zu kommentieren. Die Kommentare von #ProtectTheKids sind mit dem Kürzel ‹PTK› und hellgrauem Hintergrund gekennzeichnet. Zur besseren Übersicht können Kommentare mit Twisties (kleine schwarze Dreiecke) auf- und zugeklappt werden.

Sitzordnung UBI und Legende mit Kürzeln

Sitzordnung:

Sitzordnung der UBI mit Kürzeln

Legende:

CMCatherine Müller, Vizepräsidentin
MSKMascha Santschi Kallay, Präsidentin
PRPierre Rieder, Leiter des Sekretariats
YBYaniv Benhamou, Genf
PEPhilipp Eng, Solothurn
AVArmon Vital, Schuls
ESEdy Salmina, Lugano
RSReto Schlatter, Luzern
MSMaja Sieber, Zürich
DGDelphine Gendre, Freiburg (entschuldigt)
ITJIlaria Tassini Jung, juristische Sekretärin
PTKPost-Meeting-Kommentare von #ProtectTheKids

Beratung zu b.1024: Zusammenfassung des Berichts der Referentin

CM (Referentin): Im ersten Beitrag geht es um den Tagesschau-Beitrag mit Dr. Christoph Berger [im Folgenden meist als C. B. abgekürzt] vom 03.11.2024, ein Beitrag mit einer Dauer von 2 Minuten 48 Sekunden.

PTK: Dauer des Tagesschau-Intros: 0:12; Dauer des Beitrags mit C. B.: 2:48; Gesamtdauer 3:00.

CM: Ausserdem geht es um den Online-Beitrag vom 03.11.2024.

CM berichtet über Kontext und Inhalt der Beschwerde

CM: Die Beschwerde kritisiert Aussagen des ehemaligen Präsidenten der Impfkommission als irreführend, verharmlosend oder unzutreffend sowie eine unkritische Wiedergabe dieser Aussagen durch SRF. (…)

Der Beschwerdeführer kritisiert das Ausblenden von Long COVID in Beiträgen mit C. B..

CM berichtet über die Beschwerdeantwort von SRF

CM: Die Beschwerdegegnerin (SRF) halte fest, dass es sich beim Tagesschau-Beitrag um eine «selbstkritische Reflexion des ehemaligen EKIF-Präsidenten Dr. Christoph Berger» handle.

PTK: Der Rückblick war keineswegs «selbstkritisch», sondern eine Verstärkung von Bergers bekannter Kritik an Schutzmassnahmen des Bundes – siehe Erwiderung auf die Beschwerdeantwort, Abschnitt I. Umso mehr, als die Tagesschau-Moderation Bergers Rückschau als Kritik am Vorgehen des Bundes bezeichnet hatte, wie in der Erwiderung auf die Beschwerdeantwort, Abschnitt III. 5. festgehalten wird:

Ab 0:14 (Tagesschau-Intro): «Kritische Aufarbeitung. Der frühere Impfchef Christoph Berger blickt auf die Pandemie zurück und räumt auch Fehler vor allem im Umgang mit Ungeimpften ein.»
Ein Videoausschnitt zeigt unter anderem eine Impf-Fertigspritze und eine Zertifikatskontrolle. Darunter steht in grossen Lettern «Kritische Aufarbeitung».

Ab 1:21 (Teilbeitrag mit Titel «Corona: Schweizer Impf-Chef räumt Fehler ein»):
«Eine ernsthafte, eingehende und objektive Aufarbeitung des Vorgehens des Bundes während der Corona-Pandemie – Kritiker sagen, die hat weitgehend gefehlt, mal abgesehen vom revidierten Epidemiengesetz oder einem aktualisierten Pandemieplan. Da klingt das Interview des langjährigen Schweizer Impfchefs Christoph Berger in der Sonntagszeitung schon mehr nach Aufarbeitung der damaligen Krisenpolitik. Auch gegenüber der Tagesschau wirft der Mediziner einen kritischen Blick zurück.»

Das Hintergrundbild zeigt mit einem Informationsblatt «bei uns gilt im Innenbereich die 2G-Regel – Zutritt nur noch für geimpfte und genesene Gäste», worauf sich der kritische Blick richtet.

Die vollständige Moderation erweckt ganz klar den Eindruck, hier gehe es um eine seriöse Aufarbeitung – um ein offizielles Eingeständnis von Fehlern des Bundes im Umgang mit Ungeimpften und um Kritik an der Zertifikatskontrolle und der 2G-Regel.

Indem die Moderation «eine ernsthafte, eingehende und objektive Aufarbeitung des Vorgehens des Bundes während der Corona-Pandemie» als bisher fehlend darstellt und dem langjährigen Impfchef Kredit gibt, mit seinem Interview in der Sonntagszeitung vom 03.11.2024 zu einer solchen Aufarbeitung beizutragen («klingt … schon mehr nach Aufarbeitung der damaligen Krisenpolitik»), suggeriert die Moderation, die Aussagen in der Sonntagszeitung und gegenüber der Tagesschau würden genau diese in der Aufarbeitung bisher vermissten Qualitätsmerkmale erfüllen.

CM: Der Interviewte habe eine «persönliche Rückschau» gehalten.

PTK: Auch wenn in einem dreiminütigen Tagesschau-Beitrag von einer «Aufarbeitung des Vorgehens des Bundes» keine Rede sein kann: Was haften bleibt, ist der Eindruck einer seriösen und objektiven, also faktenbasierten Aufarbeitung von «Fehlern vor allem im Umgang mit Ungeimpften». Dieser Eindruck lässt das Argument der Beschwerdegegnerin, der Beitrag habe auf die «subjektive Rückschau» Bergers fokussiert (Rz. 14 der Beschwerdeantwort), als konstruiert erscheinen.

Und selbst wenn man von der unwahrscheinlichen Annahme ausgeht, dass die «Rückschau» des langjährigen Präsidenten der Impfkommission vom Publikum als rein subjektive Meinung interpretiert wird, kann sich die Beschwerdegegnerin nicht hinter dieser Subjektivität verstecken, um die Verbreitung unzutreffender und irreführender Aussagen zu rechtfertigen. Eine Rückschau, so subjektiv sie auch sein mag, entbindet SRF nicht von der Pflicht zur Sachgerechtigkeit.

CM: Es sei ein kurzer Tagesschau-Beitrag und «keine wissenschaftliche Analyse».

PTK: Ein Ablenkungsmanöver der Referentin. Die Beschwerde hat nirgends die Erwartung zum Ausdruck gebracht, ein kurzer Tagesschau-Beitrag müsse eine «wissenschaftliche Analyse» liefern. Es war die Beschwerdegegnerin, die in in ihrer Beschwerdeantwort zu Rz. 1 der Beschwerde festhielt, dass der Beitrag keinen Anspruch auf eine umfassende wissenschaftliche Analyse erhebt, was der Beschwerdeführer auch nie in Frage gestellt hat.

Gegenstand der Beschwerde

CM sagt, dass es ausschliesslich um den Tagesschau-Beitrag (P1) und den Online-Beitrag (P2) vom 03.11.2024 geht.

Rechtliche Grundlagen

CM: Die Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht und hinreichend begründet. Sie erfüllt die Bedingungen einer Beschwerde.

CM zählt die rechtlichen Grundlagen auf:

Der Umfang der erforderlichen Sorgfalt hänge vom Sendegefäss und vom Vorwissen des Publikums ab.

CM: Der Beschwerdeführer führe eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots an und dass zentrale journalistische Sorgfaltspflichten missachtet worden seien.

CM: «Das Vielfaltsgebot findet keine Anwendung. Dieses ist […] nicht auf einzelne Sendungen anwendbar (ausser bei Abstimmungs- und Wahldossiers).» Dafür wäre eine Zeitraumbeschwerde nötig gewesen.

PTK: Auch wenn es sich bei b.1024 nicht um eine Zeitraumbeschwerde nach Art. 92 Abs. 3 RTVG handelt, sei hier darauf hingewiesen, dass das Thema Long/Post COVID und Spätfolgen in SRF-Publikationen mit Christoph Berger seit 2022 systematisch ausgeblendet wurde, wie auch im Abschnitt IV der Erwiderung auf die Beschwerdeantwort festgestellt wurde.

Anlass für den Tagesschau-Beitrag (P1)

CM: «Anlass für das Interview der Tagesschau war ein Interview mit C. B. in der Sonntagszeitung. Darin ging es um Grippeviren [die “Erkältungssaison”], RSV und Corona, […] um die Impfung, ihre Wirkung und den Umgang diesbezüglich mit Kindern und Erwachsenen.»

CM: «Es ging [im Interview der Sonntagszeitung] um einen persönlichen Rückblick (nicht so sehr um die Impffrage [etc.]) und um eine kritische Selbstreflexion. Dies griff SRF auf.» Dieses Aufgreifen sei angemessen, wenn das Thema, so wie das vorliegende, «relevant» sei.

PTK: Es ging im Interview der Sonntagszeitung sehr wohl auch um die COVID-Impfung und die gesundheitspolitischen Massnahmen des Bundes, die damit in Verbindung standen und von C. B. kritisiert wurden.

Ausführungen der Referentin zum Online-Beitrag (P2)

CM: Der Online-Beitrag sei nahezu vollständig von einer Meldung der SDA übernommen worden. Meldungen der SDA würden als besonders vertrauenswürdig gelten, und es sei «journalistische Praxis», solche Meldungen unverändert zu übernehmen.

Schliesslich zahle SRF für den Service der SDA und könne somit davon ausgehen, dass die Meldungen vertrauenswürdig seien.

Im Wortlaut: CM: «SRF News vom 3.11. hat eine Agenturmeldung der SDA aufgegriffen. […] Da ist es Usus, Artikel einfach zu übernehmen. Die SDA gilt als besonders verlässliche Quelle. Die Fakten aus der Sonntagszeitung waren korrekt wiedergegeben. Ein Faktencheck war nicht nötig. [Der Vorwurf der] mangelnden [journalistischen] Sorgfalt ist [damit] unbegründet.»

CM: «Die UBI prüft darum gar nicht weiter, weil sonst müsste sie den Sonntagszeitungsartikel prüfen und das liegt nicht im Kompetenzbereich der UBI.»

PTK: Aussagen aus der Sonntagszeitung werden nicht automatisch zu Fakten, nur weil die SDA diese Aussagen korrekt wiedergibt oder weil SRF eine Meldung der SDA übernimmt.

In seiner Erwiderung auf die Beschwerdeantwort, II. hielt der Beschwerdeführer fest:

Die Beschwerdegegnerin kann sich nicht auf «journalistische Praxis» berufen (Rz. 13 und Rz. 19 der Beschwerdeantwort). Zwar mag die SDA im Allgemeinen als zuverlässige Quelle gelten, doch entbindet dies SRF nicht von der eigenen Verantwortung gemäss Art. 4 Abs. 2 RTVG, die Sachgerechtigkeit zu prüfen. Auch Meldungen von Nachrichtenagenturen können Fehler enthalten oder tendenziös sein.

Gerade in der politisch aufgeladenen und gesellschaftlich heiklen Debatte um die Corona-Pandemie ist besondere Sorgfalt geboten und wäre eine eigenständige Prüfung und Einordnung dieser Informationen notwendig gewesen, anstatt eine Meldung der SDA unkritisch zu übernehmen.

Ausführungen der Referentin zur Person des Interviewten

CM weist darauf hin, dass Dr. Christoph Berger Präsident der Eidg. Kommission für Impffragen EKIF war, dass er Chefarzt Infektiologie am Kinderspital ist und dass man es somit mit einem erfahrenen Experten zu tun habe.

Im Wortlaut: CM: «Christoph Berger war nicht nur Impfchef des Bundes, sondern er ist bis heute hauptberuflich Chefarzt, Infektiologe und zuständig für Spitalhygiene am Kinderspital Zürich, das heisst, er ist ein Fachmann.»

CM: «Die Formulierung in der Beschwerdeschrift grenzt an Diffamierung und Beschuldigung des Impfchefs. [Dies] liegt [aber] nicht in der Prüfungskompetenz der UBI.»

PTK: Fast ehrfurchtsvoll wird hier auf den Status von C. B. als EKIF-Chef und seine verschiedenen Hüte verwiesen. Es sei gerechtfertigt, eine solche Persönlichkeit ihre Meinung darstellen zu lassen.

Bei allem Respekt: Es geht in der Beschwerde um die Aufklärung und den Schutz der Bevölkerung. Unwidersprochene Verharmlosungen, irreführende und schlicht falsche Aussagen verstossen gegen dieses Ziel. Wenn’s um Gesundheit geht, steht Prävention über der Redefreiheit.

Bei der Beschwerde handelt es sich nicht um einen Angriff gegen Christoph Berger (diesbezüglich wäre die UBI ja die falsche Adresse). Vielmehr geht es darum, SRF aus einer medienrechtlichen Perspektive hinsichtlich der Verbreitung irreführender Informationen in die Pflicht zu nehmen.

Ausführungen der Referentin zum Tagesschau-Beitrag (P1)

CM: «Der Beschwerdeführer rügt nahezu jedes Statement. Schauen wir uns das Interview an.» 

CM [geht auf einen ersten Punkt ein]: «Impfungen sind wichtig gewesen zur Bewältigung der Pandemie. Er [C. B.] antwortet, Impfschäden seien im Rahmen der Erwartungen gewesen, Nebenwirkungen seien viel häufiger gewesen. Angesprochen auf die Nachteile für Ungeimpfte sagt Berger, die Einschränkungen seien [aus damaliger Sicht] richtig gewesen, aber [retrospektiv] habe das nicht so viel gebracht. Daher würde er es aus heutiger Sicht anders handhaben.»

CM: «Berger wird nach der heutigen Situation befragt.» Die Beschwerde habe jedoch alte Studien von 2021 zitiert.

PTK: Der Rückblick Bergers bezieht sich nicht auf die heutige Situation, sondern auf die gesundheitspolitischen Massnahmen von 2021 und Anfang 2022 (2G, 3G, Tests etc.) bzw. deren Aufhebung im Februar 2022.

Die Referentin erweckt hier den Eindruck, der Beschwerdeführer habe veraltete Studien von 2021 zitiert. Dieser Darstellung müssen wir entschieden widersprechen:

Zur Beurteilung, ob die damals ergriffenen Massnahmen (2G, 3G, TTIQ-Strategie etc.) in der Delta-Periode von 2021 oder noch im Januar 2022 während der ersten Omikron-Welle Menschen geschützt haben und somit nutzbringend / sinnvoll waren, sind eben genau die damals verfügbaren Studien relevant, die sich auf die Virusvarianten und die Impfstoffe dieser Zeitperiode beziehen. Und diese Studien von ca. Juli 2021 bis April 2022 haben ja gezeigt, dass die Impfung auch einen guten Schutz vor symptomatischer Erkrankung, Infektion, hoher Virenlast und Weitergabe des Virus geliefert hat.

CM: «Er [Berger] erklärt, dass Covid viel ansteckender sei, die Symptome aber sehr ähnlich seien [wie bei der Grippe]. Kinder würden kaum erkranken, Ältere viel mehr. Es sei ähnlich wie die Grippe

PTK: Die Referentin zitiert die unter Punkt 2) a) sowie 1) d) der Beschwerde in zwei Aspekten kritisierte Aussage #10 in P1 zur Krankheitslast von Kindern. Die Referentin lässt aber die Kritikpunkte der Beschwerde einfach weg, als ob die Aussage Bergers dadurch richtig würde.

Wir wiederholen deshalb Aussage #10 und die vollständigen Kritikpunkte aus der Beschwerde:

#10 in P1 (C. B.): “Das Coronavirus ist viel ansteckender. Die Symptome sind sehr ähnlich, je nach Alter: Kinder erkranken kaum, Ältere erkranken viel mehr. Es ist ähnlich wie die Grippe – können Sie nicht unbedingt unterscheiden.” [irreführend]

> Kritik aus B1 (Beilage zur Beschwerde), auf die Punkt 2) a) der Beschwerde hinweist:

Die Aussage «Kinder erkranken kaum, Ältere erkranken viel mehr» ist pauschalisierend und ein unzulässiger Vergleich. Wenn eine Krankheit bei älteren Menschen mit einem höheren Risiko einer schweren Erkrankung verbunden ist, bedeutet dies nicht, dass sie bei Kindern vernachlässigbar ist. Viel aussagekräftiger wäre es, die Häufigkeit und Belastung durch verschiedene Infektionskrankheiten (z.B. COVID und Grippe) in derselben Altersgruppe zu vergleichen und dabei auch Long COVID und die Akkumulation von Spätfolgen (versteckte Organschäden) durch häufige Reinfektionen zu berücksichtigen.

Seit Beginn der Pandemie hält sich hartnäckig der Mythos, COVID sei für Kinder ungefährlich. Dass Bergers Aussage zu Kindern verharmlosend und falsch ist, zeigen nicht nur die Daten des britischen Office for National Statistics (ONS) zu Long COVID bei Kindern und Jugendlichen.

COVID kann auch bei Kindern zu Organschäden führen, wie Studien zur thrombotischen Mikroangiopathie (Diorio et al., 2020) und zu Diabetes (Unsworth et al., 2020; D’Souza et al., 2023; Lugar et al. 2023; Friedl et al., 2024) bei Kindern zeigen, sowie allgemein die Erkenntnisse der letzten Jahre zur Pathophysiologie von Long COVID.

Eine Studie von Kindern mit Long COVID, die Symptome wie chronische Erschöpfung, postexertionelle Malaise (PEM) und neurokognitive Probleme zeigten, konnte eine Hyperaktivierung von Blutplättchen nachweisen (Buonsenso et al., 2024). Die Thrombozytenaktivierung kann sowohl zu einer endothelialen Dysfunktion beitragen als auch Ausdruck einer systemischen Entzündung sein, an der Endothelzellen, Blutzellen und Gerinnung beteiligt sind.

In einer englischen Studie sind Babys unter einem Jahr die einzige Altersgruppe, in der die COVID-Hospitalisierungen im Laufe der Zeit nicht zurückgegangen sind (Wilde et al., 2024). Eine Analyse in den Vereinigten Staaten hat gezeigt, dass COVID-Hospitalisierungen bei Babys unter sechs Monaten häufiger sind als in jeder anderen Altersgruppe, mit Ausnahme der über 75-Jährigen.

> Kritik zum Vergleich mit der Grippe – siehe auch Punkt 1) d) der Beschwerde:

“Es ist ähnlich wie die Grippe” ist irreführend. COVID ist eine respiratorisch übertragbare, aber multisystemische, Gefässe und Nerven schädigende Erkrankung. Akutes COVID ist stark entzündlich und kann eine Dysregulation des Immunsystems auslösen (Al-Aly, Davis et al., 2024; Peluso et al., 2024). Zusätzlich zur Neuroinflammation wurde bei Personen mit Brain Fog aufgrund von Long COVID eine Störung der Blut-Hirn-Schranke festgestellt (Al-Aly, Davis et al., 2024).

SARS-CoV-2 nutzt vor allem das ACE2-Enzym an der Oberfläche von Zellen als Eintrittspforte, und weil ACE2 von zahlreichen Zell- und Gewebetypen exprimiert wird, kann sich das Virus über die Blutbahn ausbreiten, Mikrothromben verursachen, Endothel- und Nervenzellen befallen und Gewebe in nahezu allen Organsystemen infizieren. ACE2 exprimierende Zellen sind in Darm-Enterozyten, proximalen Nierentubuli, Kardiomyozyten, Fibroblasten und vaskulären glatten Muskelzellen sowie in bestimmten Endothelzellen und Perizyten, einschliesslich Zellen des Plexus choroideus, die Teile der Blut-Hirn-Schranke bilden, sehr häufig anzutreffen. Die Verteilung von ACE2 erklärt den breiten Tropismus des Virus und die zahlreichen klinischen Manifestationen von COVID (Oudit et al., 2023).

Im Gegensatz zu vielen anderen respiratorisch leicht übertragbaren Infekten ist COVID eine multisystemische Erkrankung, die Störungen, Langzeitfolgen (Long/Post COVID) und Spätfolgen (Organschäden) in nahezu allen Organsystemen verursachen kann. COVID ist keine reine Atemwegserkrankung.

CM: Bezüglich Tests habe sich Berger «deutlich geäussert», dass diese nur für Fachpersonen von Nutzen seien.

PTK: Siehe Kommentar zu den zusammenfassenden Ausführungen zu Punkt B der Beschwerde.

CM: Gemäss Berger sei «RSV der Grund gewesen für die erhöhten Hospitalisierungsraten von Kleinkindern, nicht COVID».

PTK: Diese Aussage stammt nicht aus den Publikationen P1 und P2, die Gegenstand der Beschwerde sind. Zudem ist sie irreführend:

Eine US-Studie zeigte, dass Kinder mit einer vorausgegangenen COVID-Infektion ein erhöhtes Risiko haben, an RSV (Respiratory Syncytial Virus) zu erkranken. Die Studie ergab, dass das Risiko einer RSV-Infektion, die medizinisch behandelt werden muss, bei Kindern mit COVID im Vergleich zu Kindern ohne COVID um 40 % höher war, und zwar sowohl in der RSV-Periode von Juli bis Dezember 2021 als auch in der RSV-Periode von Oktober bis Dezember 2022 (Wang, L. et al., 2022).

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass vorausgegangene COVID-19 Infektionen in der RSV-Periode von 2022 zum überdurchschnittlich starken Anstieg von schweren RSV-Fällen bei Kleinkindern beigetragen haben, und zwar aufgrund der grossen Zahl von Kindern, die mit COVID-19 infiziert wurden, und aufgrund der längerfristig schädlichen Auswirkungen von COVID-19 auf das Immun- und Atmungssystem. Die Kontaktbeschränkungen im Herbst/Winter 2020-2021 können in der RSV-Periode von 2021 allenfalls zu einem gewissen RSV-Nachholeffekt bei den über 1-jährigen Kleinkindern geführt haben; es ist unwahrscheinlich, dass ein solcher Effekt massgeblich zur extrem starken RSV-Welle im Herbst 2022 beigetragen hat.

Auch in der Schweiz gab es nach 2020 eine erste RSV-Periode im Herbst 2021 und eine zweite RSV-Periode im Herbst 2022 mit deutlich mehr Hospitalisierungen von Kleinkindern. Aufgrund der RSV-Welle im Herbst 2021 kann bei der RSV-Periode im Herbst 2022 nicht mehr von einem relevanten Nachholeffekt bei über 1-jährigen Kindern ausgegangen werden, bei unter 1-jährigen Kleinkindern sowieso nicht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen 2021 und 2022 war jedoch, dass es im Jahr 2022 praktisch keine Kontaktbeschränkungen mehr gab und dass Kleinkinder vor der RSV-Periode im Herbst 2022 aufgrund der ungebremsten Omikron-Wellen (BA.1, BA.2, BA.5) sehr viele COVID-Infektionen hatten.

CM: «Der Beschwerdeführer rügt, dass mehrere Aussagen Bergers zu COVID-Infektionen und zur Effektivität der Impfung irreführend oder unzutreffend seien. [Er sagt, ] die Risiken sind in allen Altersgruppen erhöht und bei Babies besteht ein erhöhtes Hospitalisationsrisiko. Weiter bezeichnet der Beschwerdeführer die Aussage zum Impfschutz als unzutreffend. [Er sagt, ] Impfen/Boostern hat sehr gut gegen die Delta-Variante geschützt – davon habe Berger nichts gesagt im Interview. Dies sei ein Steilpass für Massnahmengegner.»

PTK: Die Referentin zitiert zuerst Kritikpunkte der Beschwerde aus Punkt 1) a), worin die Aussage
#2 in P1: “Wir haben damit die Risikopersonen, nämlich die älteren und vulnerablen Patienten vor schweren Erkrankungen und Todesfällen schützen können.” [irreführend]

kritisiert wird, denn die Risiken für schwere Erkrankungen (z.B. für kardiovaskuläre Spätfolgen wie Herzinfarkt und Schlaganfall) sind nicht nur bei älteren und vulnerablen Patienten, sondern in allen Altersgruppen und auch ohne Vorerkrankungen erhöht (Xie et al., 2022). Ausserdem besteht bei ungeimpften Babys unter einem Jahr ein hohes Hospitalisierungsrisiko (Wilde et al., 2024). Insbesondere deshalb, weil Kleinkinder keinen Impfschutz haben.

Auf die Kritik der Beschwerde an den Aussagen zum Impfschutz geht die Referentin nicht ein. Diese bezogen sich nicht auf die heutige Situation, sondern auf die Schutzwirkung der COVID-Impfung gegen Ansteckung und Übertragung der Infektion in den Jahren 2021 und 2022. Insbesondere betreffen die in den Punkten 4) a), 1) b) und 1) c) der Beschwerde gerügten Aussagen #5, #6 und #8 von P1 sowie #5 in P2 die Situation im Jahr 2021 (Wildtyp/Alpha-Periode sowie Delta-Periode) und im 1. Halbjahr 2022 (Omikron BA.1, BA.2, BA.5).

Die Referentin erwähnt zwar – in stark verkürzter Form – einige Kritikpunkte aus 1) zu Aussagen, die als irreführend bezeichnet wurden (#2 in P1, #5 in P2), wie auch zu Aussagen, die als unzutreffend eingestuft wurden (#6 in P1 und #8 in P1, über Infektionsschutz und Impfung), legt sich aber nicht fest, ob die UBI diese Kritikpunkte anhand der angegebenen wissenschaftlichen Quellen geprüft hat und als richtig erachtet. Um aber eine Verletzung der Sachgerechtigkeit bestätigen oder verneinen zu können, müsste die UBI genau diese Kritikpunkte im Einzelnen auf ihre Richtigkeit überprüfen.

Ausserdem stellt die Referentin die Kritik der Beschwerde unter Punkt 4) a) an einem Steilpass für Massnahmengegner durch SRF in einen falschen Zusammenhang, wohl um von der problematischen Frage von SRF abzulenken.

Wir wiederholen deshalb die erwähnten Aussagen und Kritikpunkte aus der Beschwerde:

#5 in P1 (SRF): “Ungeimpfte hatten Nachteile, durften beispielsweise nicht in Restaurants. Gingen die Einschränkungen damals zu weit?” [suggestive und tendenziöse Frage]

> Kritik unter 4) a) der Beschwerde: Suggestivfrage von SRF. Ein Steilpass für massnahmenkritische Aussagen, denn die erwähnte Massnahme (2G oder 3G) diente ja unter anderem dem Schutz ungeimpfter Personen: Diese hatten gegenüber geimpften Personen derselben Altersgruppe ein deutlich höheres Risiko, bei einer Infektion schwer zu erkranken. Der Bund gewichtete den Schutz ungeimpfter Personen vor schwerer Erkrankung höher als ihren Anspruch, in Restaurants zu gehen und dabei in Kauf zu nehmen, nicht nur sich selber, sondern auch andere zu gefährden. Die Einschränkung des Restaurantbesuchs erfolgte in Anwendung des Epidemiengesetzes (besondere Lage) und war aufgrund der Risikosituation verhältnismässig.

Indem SRF den Grund für die Schutzmassnahme nicht nennt und die für die Umsetzung notwendige Einschränkung als Nachteil bezeichnet, verkennt SRF die Verbindlichkeit des Epidemiengesetzes und schürt Misstrauen.

#5 in P2 (SRF zitiert und berichtet über C.B.): “Im zweiten Corona-Winter mit unterschiedlichen Massnahmen für Covid-Geimpfte und -Ungeimpfte sei diese Ungleichbehandlung «zunehmend schwierig» geworden für Menschen, welche ein geringes Risiko hatten, selbst schwer zu erkranken.” [irreführend]

> Kritik unter 1) c) der Beschwerde: Ungerechtfertigte retrospektive Kritik an Infektionsschutz und Impfung im zweiten Corona-Winter. Die Bestrebungen des BAG und der EKIF waren gerechtfertigt, eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen und das Risiko einer erneuten Überlastung der Spitäler im Herbst zu reduzieren. Das am 19.05.2021 vorgestellte Konzept des COVID-Zertifikats (Nachweis für geimpfte, genesene oder getestete Personen) zur Reduktion des Übertragungsrisikos war während der Delta-Periode sinnvoll und wirksam, wenn auch nicht perfekt:

Die auf dem Wildtyp basierenden Impfstoffe schützten bei der Delta-Variante in allen Altersgruppen mit einer hohen Effektivität um 90% gegen Hospitalisierung, d.h. gegen schwere Erkrankung (Tartof et al., 16.10.2021). Darüber hinaus lieferten sie anfänglich / nach einem Booster auch gegen symptomatische Erkrankung eine hohe Effektivität, zum Beispiel von 88 % im Falle von BNT162b2 / Comirnaty (Lopez Bernal et al., 21.07.2021; Tartof et al., 16.10.2021).

Zusammenfassend schützte die COVID-Impfung in allen Altersgruppen sehr gut vor schwerer Erkrankung mit der Delta-Variante und lieferte einen guten, wenn auch infolge Waning mit der Zeit abnehmenden Schutz vor symptomatischer Erkrankung, Infektion, hoher Virenlast (Puhach, Eckerle et al., 2022, Fig. 3) und Weitergabe des Virus. Der Schutz vor symptomatischer Erkrankung und Infektion konnte bei früh geimpften Personen mit einem Booster wiederhergestellt werden.

Die COVID-Impfung reduzierte die Infektionsrate unter geimpften Personen im Vergleich zu ungeimpften Personen derselben Altersgruppe deutlich und hatte eine insgesamt stark risikoreduzierende Wirkung bei Veranstaltungen in Innenräumen.

In der Impfkommunikation der EKIF und des BAG war jedoch eine Tendenz zur übermässigen Vereinfachung erkennbar, geprägt von einer “Vax-and-Relax”- Mentalität und dem Bestreben, allein durch weitere Erhöhung der Impfquote und Verwendung des Zertifikats eine Normalisierung herbeizuführen.

#6 in P1 (C. B. zur Schutzwirkung der Impfung vor Infektion): “Aus damaliger Sicht waren die Einschränkungen richtig. Retrospektiv hat das nicht so viel gebracht, weil zum Zeitpunkt, als die Risikopersonen sich haben impfen lassen können, die Ansteckung durch die Impfung nicht mehr ausreichend verhindert werden konnte.” [unzutreffend]

#8 in P1 (C. B. zur Schutzwirkung der Impfung vor Weitergabe des Virus): “Rückblickend, ja, hat die Impfung nicht diesen Effekt gebracht mit den Omikron- und Delta-Varianten, dass sie die Übertragung der Infektion verhindert.” [unzutreffend]

> Kritik unter 1) b) der Beschwerde:
Ungerechtfertigte retrospektive Kritik an Infektionsschutz und Impfung. Die Probleme lagen im Herbst/Winter 2021/22 nicht beim Impfstoff, der auch gegen Ansteckung mit Delta eine sehr gute Effektivität hatte (Tartof et al., 16.10.2021, Fig. 3), sondern bei der mangelhaften Umsetzung des Infektionsschutzes, auch unter dem Druck von Massnahmengegnern: Lückenhafte Schutzmassnahmen (insbesondere für Kinder und Jugendliche), ungenügende Aufklärung über Durchbruchsinfektionen aufgrund von Waning, verspätete Booster für Ältere und fehlendes Impfangebot für unter 12-Jährige.

Zusammenfassende Ausführungen der Referentin zur Begründung auf S. 5 der Beschwerde

Ausführungen zu Punkt A – Distanzlose und unkritische Wiedergabe von unzutreffenden, irreführenden und verharmlosenden Aussagen

CM: Es sei jederzeit klar gewesen, dass es sich um «persönliche Einschätzungen» Bergers gehandelt habe. Der Vorwurf einer distanzlosen und unkritischen Wiedergabe von unzutreffenden, irreführenden und verharmlosenden Aussagen habe sich «in keinem Punkt substantiviert».

PTK: Die Begründung der Beschwerde belegt genau diesen Vorwurf im Punkt A, unter Verweis auf die sechs mit Quellen belegten Kritikpunkte 1) bis 6). Wo ist die Begründung der UBI, dass sich diese Kritikpunkte nicht substantiviert hätten?

Weitere irreführende Aussagen, auf welche die Referentin nicht eingegangen ist:

#1 in P1 (SRF über C. B.): “Und er versuchte, das Virus zu bekämpfen” [ irreführend ]

> Kritik unter 6) der Beschwerde: Die Darstellung von SRF suggeriert, Berger habe massgeblich zur Eindämmung des Virus beigetragen. Doch wie die Quellenangaben unter 3) zeigen, hat der Interviewte in den Jahren 2021 und 2022 keine Gelegenheit verpasst, gegen Schutzmassnahmen für Kinder und Jugendliche zu polemisieren und die Vorstellung zu verbreiten, COVID-Infektionen bei Kindern und generell in jüngeren Altersgruppen, insbesondere Infektionen mit der angeblich milden Omikron-Variante, seien gesundheitlich neutrale, unbedenkliche oder gar «nützliche» Ereignisse (vgl. Interview mit der NZZ, 02.12.2023).

SRF blendet diese problematischen Aspekte in der Berichterstattung aus und erzeugt dadurch ein verzerrtes Bild von Bergers Rolle.

#1 in P2 (SRF berichtet über C. B.): «Natürlich sollen diejenigen impfen können, die das möchten. Aber Empfehlungen, bei denen es vor allem darum geht, andere und nicht sich selbst zu schützen, sind schwierig», sagt Berger im Interview der «Sonntags-Zeitung». Berger sagt weiter, dass es deshalb während der Pandemie auch «Widerstände» gegeben habe. [ irreführend ]

> Kritik: Siehe Einordnung PTK zu Punkt 3) a) der Beschwerde weiter unten.

Ausführungen zu Punkt B – Framing von Schutzmassnahmen als unnötige “Einschränkungen” und von Corona-Tests als “sehr begrenzt sinnvoll für Laien” unter 4) ist tendenziös im Sinne der Massnahmenkritiker:innen und fördert die ungebremste Verbreitung von Infektionen

CM: «Die Redaktion stellte kritische und zielführende Fragen. Suggestion ist dabei nicht zu erkennen.»

PTK: SRF hat die aufgrund des Interviews in der Sonntagszeitung zu erwartenden impf- und massnahmenkritischen Narrative mit tendenziösen Fragen und Aussagen aufgegriffen und als Steigbügelhalter unkritisch verbreitet. Dazu gehören die in Punkt 4) der Beschwerde aufgelisteten Fragen und Aussagen (#5 in P1, #3 in P2, #5 in P2), die als suggestiv oder tendenziös bewertet wurden:

#5 in P1 (SRF): “Ungeimpfte hatten Nachteile, durften beispielsweise nicht in Restaurants. Gingen die Einschränkungen damals zu weit?”
[suggestiver Steilpass für Impf- und Massnahmenkritiker:innen]
[siehe Kritik weiter oben]


#3 in P2 (SRF über C. B.): “Es sei «sicher richtig» gewesen, die Einschränkungen schnell zu beenden. «Da hat Alain Berset zu Recht zügig vorwärtsgemacht im Vergleich zu den Nachbarländern.»” [irreführend, tendenziös]

> Kritik unter 4) b) : Die überstürzte Aufhebung von SCHUTZmassnahmen führte zu einer mehrfachen Durchseuchung der Bevölkerung mit zahlreichen Fällen von Long COVID, die vermeidbar gewesen wären. Besonders betroffen waren schulpflichtige Kinder und Jugendliche (grösstenteils ohne Impfschutz und ohne Schutz vor Übertragung) und ihre Familien, aber auch die Lehrkräfte.

#5 in P2 (SRF über C. B.): “Im zweiten Corona-Winter mit unterschiedlichen Massnahmen für COVID-Geimpfte und -Ungeimpfte sei diese Ungleichbehandlung «zunehmend schwierig» geworden für Menschen, welche ein geringes Risiko hatten, selbst schwer zu erkranken.”
[irreführend, tendenziös] [siehe Kritik weiter oben]

PTK: Das Framing von Corona-Tests als “sehr begrenzt sinnvoll für Laien” (#11 und #12 in P1) ist tendenziös. Auch Laien können Schnelltests verwenden, und heute stehen  für den Heimgebrauch sogar Nukleinsäure-Testgeräte zur Verfügung, mit denen in weniger als 30 Minuten bei PCR-ähnlicher Empfindlichkeit auf SARS-CoV-2 und andere Antigene getestet werden kann. Für den Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 gibt es eine Reihe sinnvoller Handlungsempfehlungen. Wer von Tests abrät, fördert Unwissenheit, leichtfertiges Verhalten und die ungebremste Weiterverbreitung von Infektionen:

#11 in P1 (SRF): “Sind Tests auf Corona überhaupt noch sinnvoll?” [suggestiv]

#12 in P1 (C.B.): “Tests auf Corona sind für Fachpersonen sinnvoll, für Laien sehr begrenzt, ausser es ist eine ausgesprochene Risikoperson.”
[irreführend, tendenziös]

> Kritik aus B1 (Beilage zur Beschwerde), auf die Punkt 1) e) der Beschwerde hinweist:

  • Tests auf Corona sind sinnvoll, weil Corona mehr und länger ansteckend ist als eine «Erkältung». Viele Menschen testen sich nach wie vor bei Symptomen, weil sie andere nicht gefährden wollen.
  • Empfehlung der CDC zum Testen auf respiratorisch übertragbare Viren: “Ein Test kann Ihnen bei der Entscheidung helfen, was als Nächstes zu tun ist, z.B. sich behandeln zu lassen (Antivirals etc.), um das Risiko einer schweren Erkrankung zu verringern, und Massnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer Übertragung des Virus auf andere zu senken.”
  • Es ist bekannt, dass die fehlende Möglichkeit, sich nach einer Covid-Infektion zu schonen, ein Risikofaktor für Long COVID ist (Greenhalgh, Sivan et al., 2024).
  • Mit Aussage #12 in P1 ignoriert C. B. Handlungsempfehlungen der WHO und der CDC. Guter Journalismus hätte hier nachhaken müssen.

PTK: Es ist irreführend, dass im Interview von SRF eine “Bewältigung der Pandemie” suggeriert wird, aber keine kritische Fragen zu den im Punkt 5) der Beschwerde genannten problematischen Aspekten gestellt werden, vor denen Fachleute aus der Wissenschaft, Präventionsbefürworter:innen und Patientenorganisationen seit 2021 warnen:

  • Vernachlässigung von Schutzmassnahmen zur Reduktion des Übertragungsrisikos in Schweizer Schulen (Keiser et al., 14.10.2021);
  • Fehlender Infektionsschutz und ungebremste Infektionswellen, die seit der Aufgabe der Schweizer Eindämmungsstrategie Anfang 2022 Jahr für Jahr mehrmals durch die Bevölkerung rauschen;
  • Unvorhersehbarkeit der epidemiologischen Entwicklung, beschleunigte evolutionäre Anpassung von SARS-CoV-2, erhöhte Übersterblichkeit, zunehmende Verbreitung von Long COVID und weiterhin hohe Belastung des Gesundheitssystems (Greenhalgh et al., 2022).
CM: Der Rückblick von C. B. sei «selbstkritisch» gewesen. Dies zeige sich daran, dass der Tagesschau-Sprecher ab 1:21 gesagt hat: «Auch gegenüber der Tagesschau wirft der Mediziner einen kritischen Blick zurück.»

PTK: Ein «kritischer Blick zurück» impliziert keineswegs, dass es um Selbstkritik geht.

Wie in der Erwiderung auf die SRF-Beschwerdeantwort im Punkt 5 erläutert wird, erweckt die Moderation im Tagesschau-Intro (ab 0:14) ganz im Gegenteil den Eindruck, hier gehe es um eine seriöse Aufarbeitung – um ein offizielles Eingeständnis von Fehlern des Bundes im Umgang mit Ungeimpften und um Kritik an der Zertifikatskontrolle und der 2G-Regel.

Ausführungen zu Punkt C – False Balancing bei der Nutzen-Risiko-Beurteilung der COVID-Impfung

CM: «Nicht verständlich ist die Kritik, Berger betone die Impfschäden/Nebenwirkungen und relativiere damit die Schutzwirkung. Berger [antwortet] differenziert. Bei allen Antworten handelte es sich bei ihm um seine persönlichen Meinungen. Deshalb musste […] von der UBI seine Aussagen nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Es sei denn, es wären offensichtlich grob falsche Fakten und dem war nicht so.»

PTK: Die Kritik richtet sich primär an SRF, das im Interview vom Thema des Impfschutzes vor schweren Erkrankungen und Todesfällen, der angeblich nur für ältere und vulnerable Personen wichtig gewesen sei, nahtlos zur Frage nach Impfschäden überleitet (Frage #3 in P1).

Es entsteht eine falsche Ausgewogenheit, wenn SRF die Diskussion auf Impfschäden lenkt, jedoch darauf verzichtet, die Infektionsschäden (hohe Krankheitslast durch Reinfektionen, Long/Post COVID, ME/CFS und Spätfolgen) anzusprechen. Die falsche Ausgewogenheit entsteht selbst dann, wenn irgendwo noch erwähnt wird, dass die Impfschäden selten sind.

Die falsche Ausgewogenheit wird auch dadurch verstärkt, dass SRF im Zusammenhang mit gesundheitspolitischen Massnahmen wie 2G und 3G von Nachteilen für Ungeimpfte spricht (siehe #5 in P1), ohne die Gründe für diese Schutzmassnahme zu nennen, nämlich die sehr gute Schutzwirkung der Impfung gegen schwere Erkrankung und die gute Schutzwirkung gegen symptomatische Erkrankung, hohe Virenlast, Weitergabe des Virus und Long/Post COVID.

Punkt 7) der Beschwerde weist darauf hin, dass das Ausmass der Infektionsschäden dasjenige der seltenen Impfschäden um Grössenordnungen übersteigt, was der Beschwerdeführer in der Erwiderung auf die SRF-Beschwerdeantwort am Beispiel der von Impfskeptiker:innen gerne angeführten Myo- und Perikarditis illustriert hat:

Darin wird im Anhang R.1: Folgen und Nebenwirkungen wie Myo-/Perikarditis: Infektion vs. Impfung anhand wissenschaftlicher Quellen belegt, dass unerwünschte Ereignisse (engl. adverse events) im Zusammenhang mit Impfungen, die vor einer SARS-CoV-2-Infektion erfolgen, viel seltener sind als Komplikationen nach einer SARS-CoV-2-Infektion, wobei die meist milden Nebenwirkungen der Impfung im Allgemeinen in 2–3 Tagen abklingen, während schwerwiegende Impfnebenwirkungen wie Myokarditis oder Perikarditis extrem selten sind.

In einer dänischen Studie mit Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren traten Myokarditis oder Perikarditis bei 1.6 von 100’000 Frauen und bei knapp 10 von 100’000 Männern auf, die einen mRNA-COVID-Impfstoff erhalten hatten (Nygaard et al., 2021).

In einer englischen Studie, in der die Häufigkeit einer Myokarditis im Zusammenhang mit einer Infektion oder einer Impfung bei Teilnehmern ab 13 Jahren untersucht wurde, war Myokarditis nach einer SARS-CoV-2-Infektion bei Frauen 13.7 Mal häufiger und bei Männern 5.0 Mal häufiger als nach einer zweiten Impfdosis mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 (Comirnaty Wildtype) von BioNTech/Pfizer, der in der Schweiz für Jugendliche und später auch für Kinder ab 5 Jahren empfohlen wurde (Patone et al., 2022).

Es geht also darum, dass in Beiträgen mit dem ehemaligen Impfberater der Nation einseitig über Impfschäden berichtet wird, von denen man weiss, dass sie extrem selten sind, wenn die Basisserie der Impfung vor der ersten SARS-CoV-2-Infektion erfolgt, während die hohe Krankheitslast durch Reinfektionen und Long/Post COVID, ME/CFS und Spätfolgen (stille/akkumulierende Organschäden) ausgeblendet wird. Dies bei einer Punktprävalenz von Long COVID in der Gesamtpopulation, die per Ende 2023 auf 6% bis 7% bei Erwachsenen und auf 1% (konservativ) bei Kindern geschätzt wurde (Al-Aly, Davis et al., 2024).

Ausführungen zu Punkt D – Die Publikationen P1 und P2 blenden das für die Risikoeinschätzung des Publikums wesentliche Thema Long/Post COVID aus

CM: «Das Setzen eines Themas einer Sendung und die inhaltliche Bearbeitung liegen in der Freiheit des Veranstalters. Es geht nicht um eine umfassende Analyse der Pandemie und es handelt sich um keinen wissenschaftlichen Diskurs und ist selbstkritisch. [Eine solche Sendung] kann nicht alle Aspekte wiedergeben.»

CM: «Die Programmautonomie und die Kürze des Beitrages […] Es ist weder inhaltlich erforderlich noch möglich, in einer einzelnen Sendung Long Covid aufzugreifen.»

CM: «[Der Vorwurf] Long Covid werde systematisch ausgeblendet [ist] weder zutreffend noch relevant.»

PTK: In der Begründung der Beschwerde steht Folgendes: «Ergänzend stelle ich fest, dass das Thema Long/Post COVID in SRF-Publikationen mit Professor Christoph Berger seit 2022 systematisch ausgeblendet wird.» Diese Aussage bezieht sich auf alle SRF-Beiträge mit C. B. ab dem 9.1.2022 und ist korrekt, wie sich anhand folgender Liste nachprüfen lässt:

Long/Post COVID zu erwähnen ist eine Sache von wenigen Sekunden und selbst in einem kurzen Interview problemlos möglich. Angesichts der immensen Auswirkungen von Long COVID auf die Gesundheit der Bevölkerung und die Schweizer Wirtschaft ist das Thema bzw. die Ausblendung desselben bei der Bewertung des Nutzens der COVID-Impfung sehr wohl relevant. In einer grossen Studie schützten eine, zwei und drei Impfdosen vor Erstinfektion mit einer Effektivität von 21 %, 59 % bzw. 73 % gegen Post COVID (Lundberg-Morris et al., 2023).  Zudem hat sich gezeigt, dass ein guter Schutz vor Long COVID durch regelmässige Auffrischimpfungen aufrechterhalten werden kann (Razzaghi et al., 2024).

CM: «Der Beschwerdeführer übt mit seiner Beschwerde generell Kritik am BAG (Vax and Relax vs. Nudging). Aber auch dies ist für die Sendung unerheblich.»

PTK: Die Kritik an “Vax-and-Relax” im Punkt 1) c) bezieht sich einzig auf das Jahr 2021, als das BAG und die EKIF auf eine Erhöhung der Impfquote bei Erwachsenen drängten, ohne Schutzmassnahmen gegen die Übertragung zu ergreifen (der “Relax”-Part):
«In der Impfkommunikation der EKIF und des BAG war jedoch eine Tendenz zur übermässigen Vereinfachung erkennbar, geprägt von einer “Vax-and-Relax”- Mentalität und dem Bestreben, allein durch weitere Erhöhung der Impfquote und Verwendung des Zertifikats eine Normalisierung herbeizuführen.»

Die übermässige Vereinfachung im Jahr 2021 bestand darin, dass die Impfung für Erwachsene zu dieser Zeit als Ausweg aus der Pandemie verkauft wurde (eine “Vaccines-Only”-Strategie), die Bevölkerung jedoch nicht differenziert über die Schutzwirkungen der Impfung gegen symptomatische Erkrankung, Infektion, hohe Virenlast und Weitergabe des Virus, deren Abnahme durch den Waning-Effekt, den Nutzen des Boosters und über die Häufigkeit und Risiken von Durchbruchsinfektionen (Long COVID und Spätfolgen) bei den früh geimpften, ungeboosterten Personen informiert wurde. Unter anderem auch deshalb, weil man zur Häufigkeit von Durchbruchsinfektionen keine belastbaren Daten hatte, da bei den PCR-Tests in Testzentren der Impfstatus nicht erhoben wurde.

Diese Kritik ist durchaus relevant für die SRF-Beiträge mit dem ehemaligen Präsidenten der EKIF, denn die EKIF hat den alleinigen Fokus auf den Schutz vor schwerer akuter Erkrankung und nur für ältere Personen und bestimmte vulnerable Gruppen (die sogenannten BGP) in besonderem Masse mitzuverantworten. In den Risikobewertungen der EKIF wurden die mit Infektionen und Reinfektionen verbundenen Risiken von Long COVID und Spätfolgen (Organschäden) seit 2022 systematisch ausgeblendet, obwohl schon 2021 bekannt war, dass alle Altersgruppen von Langzeit- und Spätfolgen betroffen sind – siehe Punkt 1) a) der Beschwerde.

Zu Beginn der Omikron-Periode hat man dann plötzlich die «Chancen der Infektion» mit der vermeintlich milden Omikron-Variante betont und die Schutzmassnahmen mitten in der ersten Omikron-Welle abgebaut. Die Durchseuchung nahm ihren Lauf und der Bevölkerung wurden die Vorteile der «hybriden Immunität» verkauft –  einer angeblich «breiten Immunität» durch Impfung und Infektion.

Die erhoffte «breite Immunität» nach einmaliger Durchseuchung erwies sich jedoch bald als Illusion, als weitere grosse Infektionswellen mit stark divergierenden Sprungvarianten wie XBB.1.5 (“Kraken”), BA.2.86 (“Pirola”) und seinen Nachfolgern JN.1, KP.2 und KP.3 (“Pirola clan”), XEC etc. auftraten. Gleichzeitig wandelte sich die COVID-Impfempfehlung vor allem für Erwachsene immer mehr zu einer Nicht-Impfempfehlung für unter 65-Jährige, was nur zu rechtfertigen war, wenn man die Risiken von Langzeit- und Spätfolgen durch häufige Reinfektionen weiterhin ausblendete, ebenso die gute Schutzwirkung der adaptierten Impfstoffe gegen diese Risiken.

CM: «Bei den Beiträgen handelt es sich nicht um eine umfassende Analyse der Coronapandemie, sondern ausdrücklich um eine Zusammenfassung des Artikels aus der Sonntagszeitung und um einen persönlichen Rückblick auf die Pandemie als Impfchef, [der] bekannt [ist] als reflektierter Mensch […] mit Erfahrung. […] selbstkritisch […] selbstkritisch.»

CM: «[Die Äusserungen Bergers sind] jederzeit als subjektive Einschätzung klar erkennbar.»

CM: «Es ist offensichtlich, dass Christoph Berger […] den protektionistischen Sichtweisen zu Gesundheitsfragen [von ProtectTheKids] widerspricht. […] Es ist legitim, unterschiedliche Meinungen zu haben.»

PTK: Dass die zumeist ungeimpften Kinder unter 12 Jahren im Herbst/Winter 2021/2022 zumeist ohne Impfschutz und bei lückenhaften oder inexistenten Schutzmassnahmen in den Schulen (kantonaler Flickenteppich) mit einem Virus mehrmals durchseucht wurden, von dem man wusste, dass es Schäden und langanhaltende Störungen in verschiedensten Organsystemen verursachen kann, war eine fahrlässige Zuwiderhandlung gegen das Epidemiengesetz besondere Lage und gegen Artikel 11 der Bundesverfassung.

Als Organisation, die sich am Konsens der Wissenschaft orientiert und sich seit 2021 dafür einsetzt, dass Kinder und Jugendliche in Schule und Betreuung durch niederschwellige Schutzmassnahmen wie Luftfilter und kontrolliertes Lüften mit CO2-Messgeräten, aber auch durch energieeffiziente mechanische Lüftungen besser vor der Übertragung von Infektionskrankheiten und den damit verbundenen Risiken von Langzeit- und Spätfolgen geschützt werden, verwahrt sich #ProtectTheKids gegen eine solche Verunglimpfung.

CM: «Berger hat […] Verantwortung für kommende Generationen übernommen. […] Weil Kinder erkrankten nur selten schwer.»

PTK: Es gibt in der Schweiz eine Patientenorganisation namens Long Covid Kids, die rund 300 Familien mit einem meist schwer von Long Covid betroffenen Kind betreut und unterstützt. Manchmal sind auch gleich zwei Geschwisterkinder oder noch ein Elternteil betroffen. Die meisten dieser Kinder waren nicht geimpft und erkrankten im Herbst 2021 oder während der Mehrfachdurchseuchung ab 2022 aufgrund fehlender Schutzmassnahmen in den Schulen an Long Covid oder der schweren Form ME/CFS. Das Gaslighting im Bericht der UBI-Referentin ist schwer zu ertragen.

CM: «Dies[e Beschwerde] an C. B. festhalten […] und ein eigenes Narrativ aufbauen zu wollen ist wenig zielführend. C. B. ist offen für Kritik. Was [wie er selbst gesagt hat] schwierig sei: Über ihn anstatt mit ihm zu diskutieren. [Der Beitrag von] C. B. […] klingt eher nach Aufarbeitung [implizit: als der Beitrag des Beschwerdeführers].»

PTK: Es geht in der Beschwerde nicht um die Person des Interviewten und schon gar nicht darum, ob der Beitrag von C. B. der Referentin oder der UBI im Hinblick auf eine Aufarbeitung des Umgangs mit der Pandemie besser gefällt.

Sondern es geht darum, dass SRF ohne eigene Prüfung Aussagen verbreitet, die als irreführend oder unzutreffend zu bezeichnen sind, was in der Beschwerde anhand wissenschaftlicher Quellen im Detail belegt wird – Aussagen, welche die Risiken wiederholter COVID-Infektionen bei jüngeren Altersgruppen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen verharmlosen und geeignet sind, Impfskepsis auszulösen oder zu verstärken.

Und es ginge darum, die Richtigkeit der sieben vorgebrachten Beschwerdepunkte und die Frage der Sachgerechtigkeit der in der Beschwerde als irreführend oder unzutreffend bezeichneten Aussagen im Einzelnen zu prüfen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine solche Prüfung überhaupt stattgefunden hat.

Dass C. B. offen sei für Kritik, deckt sich im Übrigen keineswegs mit unseren Beobachtungen: Am 14.09.2021 veröffentlichte Pädiatrie Schweiz mit ihrem Mitglied C. B. mitten in der Delta-Welle eine verstörende Mitteilung über “Schulmassnahmen”, die von einer auf die Durchseuchung von Kindern angelegten Strategie sprach. Darin wurde die Kinderpopulation als «Zielscheibe belastender Massnahmen» bezeichnet und gefordert, den Schutz von Kindern und Jugendlichen «auf ein unerlässliches Minimum zu reduzieren». #ProtectTheKids wandte sich am 24.09.2021 in einem offenen Brief mit präzisen Fragen und umfangreichen Quellenangaben an Pädiatrie Schweiz und bat um eine Stellungnahme, erhielt jedoch nie eine Antwort.

Ein wissenschaftlicher Review der gesundheitspolitischen Massnahmen für Schweizer Schulen durch eine Expertengruppe, insbesondere der Universität Genf, kritisierte die Vernachlässigung nicht-pharmazeutischer Schutzmassnahmen und betonte, dass angesichts der hochinfektiösen Delta-Variante und des immer noch grossen Anteils ungeimpfter Personen ein breiter Konsens darüber bestand, dass sowohl pharmazeutische als auch nicht-pharmazeutische Massnahmen weiterhin wichtig waren, um die Ausbreitung der Infektionen zu begrenzen (Keiser et al., 14.10.2021), was der “Vaccines-Plus”-Strategie entspricht (Greenhalgh et al., 03.01.2022; Lazarus et al., 2022). Von besonderem Interesse war der Schutz von Kindern unter 12 Jahren, für die noch kein Impfstoff zugelassen war.

Im Review wurden die verharmlosenden Aussagen von Pädiatrie Schweiz, die sich weitgehend mit jenen ihres medial omnipräsenten Wortführers C. B. deckten, deutlich kritisiert: Erstens deuteten mehrere Studien auf eine höhere Krankheitslast bei der Delta-Variante hin, zweitens fehlte die Berücksichtigung von Long COVID, und drittens entbehrte die Theorie einer asymmetrischen Übertragung vor allem von Erwachsenen zu Kindern jeder Logik, zumal sie auf einer Teststrategie beruhte, die Tests bei Kindern willkürlich auf ein Minimum beschränkte oder ganz darauf verzichtete. Und viertens stand die Argumentation gegen Schutzmassnahmen bei Kindern in eklatantem Widerspruch zu den Empfehlungen der WHO, der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) und der AAP (American Academy of Pediatrics) sowie zu den guten Erfahrungen mit einer ganzen Palette von komplementären, nicht-pharmazeutischen Tools zur Verringerung des Übertragungsrisikos.

Doch auch diese Kritik hinderte den Interviewten nicht daran, die Krankheitsfolgen bei Kindern weiter herunterzuspielen und gegen den Schutz von Kindern zu polemisieren.

CM: «[Die Referentin] beantragt Abweisung in Bezug auf beide Publikationen. Das Vielfaltsgebot findet keine Anwendung.»

MSK: Gibt es einen Gegenantrag?
[ Niemand meldet sich. ]

Beratung zu b.1024: Zusammenfassung Diskussion und Abstimmung

MS: «[Ich] schliesse mich den Ausführungen an. Es war ein persönlicher und damit subjektiver Rückblick auf die Bewältigung der Pandemie. Und darüber, was dieser Mann [C. B.] sagt, darüber muss [implizit: kann] man [das Publikum] sich … eigene Gedanken machen.»
MS: «In der Tagesschau ist ein wissenschaftlicher Diskurs nicht möglich.»

PTK: Nirgends wurde in der Beschwerde eine Erwartung zum Ausdruck gebracht, in der Tagesschau müsste ein «wissenschaftlicher Diskurs» stattfinden.

Ein angemessener Diskurs müsste hingegen in der UBI stattfinden, deren Aufgabe es wäre, die in der Beschwerde unter 1), 2), 3), 4), 5), 6) und 7) vorgebrachten und mit wissenschaftlichen Quellen gestützten Belege einer Verletzung der Sachgerechtigkeit durch irreführende und zum Teil falsche Aussagen im Einzelnen zu prüfen.

RS: Die Rückschau von Berger in der Sonntagszeitung, aber auch sein Rückblick in der Tagesschau sei eine der «seltenen selbstkritischen Einordnungen» gewesen. Ganz im Gegensatz zum abgetretenen Gesundheitsminister, der nicht so selbstkritisch gewesen sei.

RS im Wortlaut: «Bergers Äusserungen in der Tagesschau gehören zu den seltenen selbstkritischen Einordnungen in der ganzen Pandemie. Berger ist einer der wenigen, die das gemacht haben. Bergers Interview war ein Highlight der Pandemiebewältigung. Aber es war kein wissenschaftlicher Diskurs. Es geht nicht um die Infektionsfolgen bei Kindern und Jugendlichen. Also man muss sehen, was ist das Sendegefäss. […] also [der Anspruch des Beschwerdeführers wäre passender/] besser bei der Pulssendung, die sich mit Long Covid auseinandergesetzt hat.»

PTK: Es geht sehr wohl um die Infektionsfolgen bei Kindern und Jugendlichen. Die Beschwerde kritisiert ja in den Punkten 2) a) und 2) b) folgende Aussagen:

#10 in P1 (C. B.): “Das Coronavirus ist viel ansteckender. Die Symptome sind sehr ähnlich, je nach Alter: Kinder erkranken kaum, Ältere erkranken viel mehr. Es ist ähnlich wie die Grippe – können Sie nicht unbedingt unterscheiden.” [irreführend] [Kritik siehe weiter oben]

#1 in P2 (SRF berichtet über C. B., ohne einzuordnen): «Natürlich sollen diejenigen impfen können, die das möchten. Aber Empfehlungen, bei denen es vor allem darum geht, andere und nicht sich selbst zu schützen, sind schwierig», sagt Berger im Interview der «Sonntags-Zeitung». Berger sagt weiter, dass es deshalb während der Pandemie auch «Widerstände» gegeben habe. [irreführend]

Mit Aussage #1 in P2 spielt C. B. auf die Impfung von Kindern und Jugendlichen an. Man muss das Vorwissen des Publikums berücksichtigen. Es ist allgemein bekannt, dass C. B. die Kinderimpfung 2021 als unnötig und «experimentell» darstellte – siehe folgende Einordnung.

Einordnung der Aussage #1 in P2 zur Solidarität in der Pandemiebekämpfung
Kritik aus 3) a) der Beschwerde und III. 3. der Erwiderung auf die SRF-Beschwerdeantwort:

Es ist unverantwortlich, solche spalterischen und irreführenden Aussagen über die Solidarität in der Pandemiebekämpfung ohne kritische Einordnung zu verbreiten. Gerade ein öffentlich-rechtliches Medium wie SRF sollte der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken und nicht noch Öl ins Feuer giessen, indem es solchen Aussagen eine unkritische Plattform bietet.

Durch die fehlende Einordnung entsteht der falsche Eindruck, die Widerstände gegen das solidarische Impfen seien in der Bevölkerung gewissermassen von alleine entstanden. Dabei war es der Befragte selbst, der im Jahr 2021 als Präsident der EKIF und Vorstandsmitglied von Pädiatrie Schweiz entgegen der damaligen Studienlage und unter Missachtung des Vorsorgeprinzips wiederholt die Folgen von COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen verharmlost, gegen die Solidarität zwischen den Altersgruppen polemisiert und die Kinderimpfung schlecht geredet hat:

  1. Mit der Formulierung «Empfehlungen, bei denen es vor allem darum geht, andere und nicht sich selbst zu schützen, …» spielt Berger auf das von ihm selber seit 2021 verbreitete Narrativ an, die Covid-Impfung habe ein Nutzen-Risiko-Verhältnis, das nur für ältere und vulnerable Personen vorteilhaft, für Kinder jedoch unklar sei, weil Kinder «eine ganz geringe Krankheitslast» hätten. Beides ist nachweislich falsch – siehe Quellen zur Krankheitslast bei Kindern zur Aussage #10 in P1.
  2. Es ist absurd, wenn Berger von «Widerständen gegen das solidarische Impfen während der Pandemie» spricht – er, der 2021 als Präsident der EKIF und Vorstandsmitglied von Pädiatrie Schweiz die Folgen von Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen entgegen der damaligen Studienlage und unter Missachtung des Vorsorgeprinzips wiederholt verharmloste, gegen die Solidarität zwischen den Altersgruppen polemisierte und die Kinderimpfung schlechtredete.
  3. Im SRF-Beitrag «Corona-Massnahmen bei Kindern» (18.09.2021) argumentierte Pädiatrie Schweiz gegen Infektionsschutz und plädierte dafür, Tests, Masken und Quarantäne «aufs unerlässliche Minimum zu beschränken». Die Polemik richtete sich auch gegen die Solidarität zwischen den Altersgruppen: «Es fragt sich einfach, welche Massnahmen man der Gesamtheit auferlegen will, um die ganz wenigen zu schützen, die zusätzlich geschützt werden müssen.»
  4. Im Point de Presse vom 16.11.2021 wurde der damalige EKIF-Präsident darauf angesprochen, dass er die Impfung der noch ungeimpften Bevölkerungsgruppen für die Bekämpfung der Pandemie als zentral bezeichnet hatte, dass jedoch dazu auch die Kinder unter 12 Jahren gehörten. Zudem wurde festgestellt, dass die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen überdurchschnittlich anstiegen – offensichtlich ein vernachlässigter Aspekt der Eindämmungsstrategie, speziell in den Schulen.

    Auf die Frage nach der Kinderimpfung antwortete er grob verharmlosend, die Kinder hätten eine «ganz geringe Krankheitslast». Es gebe sehr viele Infektionen, aber fast keine Hospitalisationen. Mit keinem Wort erwähnte er die schon damals bekannten multisystemischen, Blutgefässe und Nerven schädigenden Eigenschaften von SARS-CoV-2, die Fälle von Long COVID bei Kindern, die auffällige Zunahme von Diabetes Typ-1 (Unsworth et al., 2020) und die Indikatoren für eine thrombotische Mikroangiopathie (Diorio et al., 2020) bei Kindern, auch nicht die schweren Komplikationen bei PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome). Die Infektion laufe bei Kindern «entweder asymptomatisch oder mild» ab.

    Zu den Risiken der Kinderimpfung hätten sie noch fast keine Daten. Mit dieser Darstellung suggerierte er ein ungenügendes Nutzen-Risiko-Verhältnis bei der Kinderimpfung – ein ethisch höchst problematisches Vorgehen, wenn man das Risiko von Long COVID und versteckten Organschäden sowie die epidemiologischen Risiken hoher Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen verschweigt. Bergers Polemik gipfelte in der rhetorischen Frage, ob man jetzt die Kinder impfen solle, um die Erwachsenen zu schützen – das sei sehr altruistisch.
  5. Im SRF Club vom 23.11.2021 behauptete Berger erneut: «D Chind (mit Covid) mached de Chind nüt (..). Das Covid isch für die Chind nöd gfährlich.»
  6. Die COVID-Impfung für Kinder unter 12 Jahren wurde in den USA aufgrund ihres vorteilhaften Nutzen-Risiko-Verhältnisses am 29.10.2021 zugelassen und am 05.11.2021 empfohlen, doch der damalige EKIF-Präsident behauptete noch im Dezember 2021 in einem Interview des Tagesanzeigers (08.12.2021), das Risiko einer Erkrankung sei mit dem Risiko von Impfnebenwirkungen vergleichbar. Darüber hinaus bezeichnete er die Kinderimpfung als «experimentell», eine Aussage, die geeignet war, in der Bevölkerung Impfskepsis auszulösen oder zu verstärken.
  7. Bergers Verharmlosungen begünstigten den Trend, die mit COVID-19 verbundenen Risiken von Langzeit- und Spätfolgen bei jungen Menschen zu unterschätzen und zu verdrängen. Sie waren Wasser auf die Mühlen von Massnahmengegnern und trugen dazu bei, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen vernachlässigt wurde. Seine Aussagen waren geeignet, insbesondere bei jungen Menschen Impfskepsis auszulösen. Sie normalisierten eine oberflächliche und egoistische Betrachtung des Nutzens der COVID-Impfung und weiterer Schutzmassnahmen, und sie untergruben die Eindämmungsstrategie. Fatalerweise haben sie zu einer bedenklichen Entsolidarisierung unserer Gesellschaft beigetragen, die im Winter 2021/22 ihren Anfang nahm.
  8. Eine Studie zu Trends bei pädiatrischen Hospitalisierungen in England zeigt, dass die Pandemie für Babys so schlimm ist wie eh und je (Wilde et al., 2024): In den 12 Monaten bis August 2023 wurden 6’300 Babys unter einem Jahr ausschliesslich oder zum Teil wegen COVID ins Krankenhaus eingeliefert. Sie sind die einzige Altersgruppe, in der die Hospitalisierungen im Laufe der Zeit nicht zurückgegangen sind. Über den gesamten Zeitraum der Studie machten COVID-bedingte Hospitalisierungen von Babys unter einem Jahr 43% aller Krankenhausaufnahmen von Kindern unter 18 Jahren aus.

    Für Kleinkinder unter 5 Jahren gibt es in der Schweiz noch immer kein Impfangebot gegen COVID. Babys unter einem Jahr gehören zu den Risikopersonen für Hospitalisierung wegen COVID, und es ist davon auszugehen, dass das Risiko auch für Kleinkinder im Alter von 1 bis 4 Jahren noch erhöht ist. Die Aussage, dass Risikopersonen vor schweren Erkrankungen geschützt werden (konnten), trifft für Kleinkinder nicht zu.
RS: «Es sind [im Interview mit C. B.] eben auch eher allgemeine Aussagen. Berger sagt, die Impfschäden waren im Rahmen der Erwartung.» Die Aussagen zu Impfschäden und Nebenwirkungen seien rein qualitativ gewesen und daher nicht zu bemängeln.
RS: «Es ist auch schwierig, hier Herrn Berger etwas vorzuwerfen, wenn er sich nicht mit konkreten Zahlen [sondern lediglich zu Verhältnissen] äussert.»

PTK: Dies ist eine einseitige Argumentation, die Punkt 7) der Beschwerde zum False Balancing in der Nutzen-Risiko-Bewertung der COVID-Impfung völlig ausser Acht lässt. Dort wird aufgezeigt, dass die SRF-Beiträge im Vergleich zu den viel häufigeren Infektionsschäden unverhältnismässig stark auf «Impfschäden und Nebenwirkungen» fokussieren und gleichzeitig die vielfältigen Schutzwirkungen der Impfung auch für jüngere Altersgruppen völlig ausblenden. Siehe auch den PTK-Kommentar zu den Ausführungen der Referentin CM zu Punkt C der Beschwerde (False Balancing bei der Nutzen-Risiko-Beurteilung der COVID-Impfung).

ES: Ist der Auffassung, im SRF-Interview seien dem ehemaligen Impfchef «kritische Fragen» gestellt worden.

PTK: Betreffend «kritische Fragen», siehe PTK-Kommentar zu Punkt B weiter oben.

AV: «[…] In einem Punkt sehe ich das anders. Die Unterscheidbarkeit zwischen persönlicher Meinung und vermittelten Fakten ist nicht ganz eindeutig. Er [Berger] referiert wie bei einer Veranstaltung an der Volkshochschule. Er sagt nie ‹das ist meine Meinung›, sondern er bringt Infos, die als Fakten verstanden werden können.»

AV: «Und die Dinge, die er als Fakten liefert, [….] sind im Wesentlichen richtig.»

PTK: Warum geht die UBI nicht auf Punkt 1) der Beschwerde ein? – Dort wird dargelegt, dass die Aussagen zum Schutz vor Infektion schlicht falsch sind:

#6 in P1: “Aus damaliger Sicht waren die Einschränkungen richtig. Retrospektiv hat das nicht so viel gebracht, weil zum Zeitpunkt, als die Risikopersonen sich haben impfen lassen können, die Ansteckung durch die Impfung nicht mehr ausreichend verhindert werden konnte.

#8 in P1: “Rückblickend, ja, hat die Impfung nicht diesen Effekt gebracht mit den Omikron- und Delta-Varianten, dass sie die Übertragung der Infektion verhindert.

Die UBI-Mitglieder haben in der Beratung mehrmals gezeigt, was sie aus diesen Aussagen schliessen, nämlich Folgendes:

  • Aus #6 in P1: «Die Impfung konnte die Ansteckung nicht mehr ausreichend verhindern, also hat sie nicht mehr vor Ansteckung geschützt.»
  • Aus #8 in P1: «Die Impfung hat bei Omikron und Delta nicht die Übertragung der Infektion verhindert, also hat sie nicht vor Weitergabe des Virus geschützt.» (= kein Schutz = null Schutz)

Das Problem liegt in der fehlenden Differenzierung und in unzulässigen Vereinfachungen. Die Schlussfolgerungen sind genauso falsch wie die im Punkt 1)  b) und c) der Beschwerde kritisierten Aussagen #6 und #8 in P1:

Erstens, weil die Impfung zum Zeitpunkt, als die Risikopersonen sich haben impfen lassen können (genau gesagt ab zwei Wochen nach der Impfung), tatsächlich sehr gut vor Ansteckung, symptomatischer Erkrankung, hoher Virenlast und Weitergabe des Virus geschützt hat. Das war im Frühling 2021 (Wildtyp/Alpha, dann Übergang zu Delta) der Fall, aber auch in der grossen Delta-Welle im Herbst 2021, als die Vorteile einer dritten Impfdosis für früh geimpfte Personen bekannt wurden.

Zweitens werden sowohl in den Aussagen #6 und #8 von P1 als auch in den genannten Schlussfolgerungen unzulässige Vereinfachungen gemacht, die zu falschen Dichotomien führen, denn es gibt nicht nur die beiden Möglichkeiten, dass eine Impfung vor einem unerwünschten Ereignis schützt (1) oder nicht schützt (0):

Die Schutzwirkung eines Impfstoffs gegen ein unerwünschtes Ereignis, z.B. Infektion mit COVID-19, ist nicht einfach vorhanden (1) oder nicht vorhanden (0), sondern sie entspricht der Effektivität des Impfstoffs gegen dieses Ereignis, liegt in der Regel zwischen 0% und 100% und hängt von diversen Parametern ab.

Die Effektivität der mRNA-Impfstoffe gegen Infektion mit der Delta-Variante war anfänglich bei hohen 88% und betrug nach fünf Monaten noch 50% (Tartof et al., 16.10.2021). Und sie war auch bei den früh geimpften älteren Personen wieder im Bereich von 88%, nachdem diese einen Booster erhalten hatten.

All dies ist unter Punkt 1) b) und c) der Beschwerde zu finden.

Wer bei mRNA-Impfstoffen mit einer Effektivität zwischen 88% zu Beginn und 50% nach fünf Monaten behauptet, die Impfung habe nicht vor Ansteckung geschützt, verbreitet eine Falschinformation.

AV: «Herr Berger zählt die Risikopersonen auf […] ältere Menschen und vulnerable Menschen. Neugeborene und Kleinkinder nennt er nicht als Risikopersonen. Aber wenn er dann am Schluss sagt, Kinder erkranken kaum […] aber das heisst nicht, dass Kinder nicht erkranken, […] sondern es wird ein Verhältnis abgebildet. Im Grunde genommen ist das so zu verstehen, dass dieses Verhältnis einfach weniger hoch ist.»

AV: «Die übrigen Aussagen finde ich sehr gut komprimiert. Er sagt sehr klar, dass die Impfungen Sinn gemacht haben, um schwere Fälle zu verhindern. Ob Einschränkungen gerechtfertigt waren für die Ungeimpften […] Aus der Sicht der Risikopersonen hat es Sinn gemacht […]. […] die zu hohen Erwartungen […].»

PE: […] Man kann von einem sehr breiten Vorwissen der Öffentlichkeit ausgehen. Es gibt unterschiedliche Meinungen. Den Zuschauern ist klar, dass das Bergers persönliche Ansicht ist.

PTK: Das Vorwissen über COVID kann nicht allzu breit sein, da die Krankheit ja immer wieder als «grippeähnliche» Atemwegsinfektion dargestellt wird und das multisystemische Gefährdungspotenzial den meisten nicht bekannt zu sein scheint.

YB (französisch – hier übersetzt): «[Bezüglich] Fakten und Meinungen [«faits et opinions»]: Das ändert sich, wenn jemand in der Position des eidgenössischen Impfchefs spricht. Da ist diese Unterscheidung [für das Publikum] sehr schwierig, […] ob das jetzt wirklich [lediglich] eine persönliche Meinung ist.»

YB: «Der Titel des Artikels. Der Fokus. Die Verwendung des Conditionnel» […] damit habe er [YB] für sich festgestellt, dass es doch eine Meinung sei. Und [die Sendung] sei kurz und effizient gewesen.

PTK: Der Titel des Beitrags P2 (“Corona-Pandemie – Impfchef Berger wäre heute zurückhaltender mit Empfehlungen”) enthält zwar den Konjunktiv II (franz. Conditionnel présent). Dieser hat im Deutschen jedoch nicht die Funktion, eine persönliche Meinung als solche zu kennzeichnen. Stattdessen basiert das “wäre” auf der Funktion des Konjunktiv II als Irrealis: Der Titel bezieht sich auf Bergers Verhalten in der Vergangenheit, welches dieser nicht mehr korrigieren kann, weil es bereits stattgefunden hat. Wäre er (irrealis) heute nochmals in derselben Situation, würde er (irrealis) anders handeln. Schliesslich handelt es sich – wie die UBI selbst mehrfach betont hat – um einen Rückblick und dieser bezieht sich notwendigerweise auf die Vergangenheit.

Der Titel des Beitrags suggeriert also eine Neueinschätzung der damaligen Situation, und dies vom eidgenössischen Impfchef zu hören kommt für das Publikum einer offiziellen Neueinschätzung gleich.

Im Tagesschau-Beitrag fragt SRF (#7 in P1) “Das heisst, man würde es heute anders machen?” und Berger antwortet (#8 in P1) “Rückblickend, ja, hat die Impfung nicht diesen Effekt gebracht mit den Omikron- und Delta-Varianten, dass sie die Übertragung der Infektion verhindert”.

Auch diese Aussage aus dem Mund des Impfchefs hört sich für das Fernsehpublikum wie eine offizielle Neueinschätzung der damaligen Situation an. Doch wie oben gezeigt, handelt es sich dabei um ein ungerechtfertigtes Schlechtreden der Impfung.

MSK: Wenn sich das Publikum darüber wundere, dass die Kommissionsmitglieder ab und zu lächelten und einander Blicke zuwerfen – es verhalte sich so, dass sich die Mitglieder auch untereinander nicht alle einig seien dahingehend, welche Fakten wirklich Fakten und welche Fakten lediglich Meinungen seien bzw. welche Experten wirklich Experten seien.

PTK: Angesichts der eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Kritikpunkte, auf die sich die Beschwerde stützt, eine gefährliche und ungerechtfertigte Vermischung von Meinungen und Fakten. Es stellt sich unweigerlich die Frage, wie die Faktentreue und Sachgerechtigkeit von Medienbeiträgen zuverlässig überprüft werden kann, wenn Meinungen und wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse von der UBI nicht auseinandergehalten werden.

PR: «Berger war eine prägende Figur der Pandemie.» 

PR: «Wir haben einen Beschwerdeführer, der sehr viel weiss. […] Grosses Lob an den Beschwerdeführer. [Wären alle Beschwerden so [ausgearbeitet] wie die vorliegende, wäre die Arbeit für die UBI [leichter].»

PR: «Es war eine zu kurze Sendung, um alles berücksichtigen zu können.»

PR: Bei einem Rückblick müsse nicht kritisch hinterfragt werden.

PR: «Experten sollten nicht immer sagen müssen: ‹Es ist meine Meinung›. Es war daher nicht nötig, das kritisch zu hinterfragen. Aufgrund der Transparenz und der klar ersichtlichen […] wurde das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt.»

MSK: Die Pandemie habe die Menschen beschäftigt und beschäftige manche [Blick zum Beschwerdeführer] bis heute. Sie kriege bei der UBI mit, wie viel mehr Beschwerden seit der Pandemie zur Berichterstattung eingehen. Die Gesellschaft sei gespalten. Weil manche Leute zu «festgefahren» seien in ihrer Meinung.

MSK: Die Pandemie sei eine «belastende Zeit der Bevormundung» gewesen, mit grossem Druck, sich impfen lassen zu müssen. Man sei gedrängt worden, bei Jugendlichen eine «mRNA-Injektion» durchzuführen. Sie selbst sei C. B. «dankbar».

[ Die Beschwerde wurde einstimmig abgewiesen. ]

PTK (Schlussbemerkungen):

In den beanstandeten Beiträgen werden die gesundheitspolitischen Massnahmen von 2021 und Anfang 2022 schlechtgeredet, darunter auch jene, die auf den guten Schutzwirkungen der Impfung gegen Infektion, hohe Virenlast, Weitergabe der Infektion, schwere Erkrankung und Long COVID beruhten – wirksame und verhältnismässige Massnahmen, die in Anwendung des Epidemiengesetzes getroffen und von der Bevölkerung in drei Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz klar gutgeheissen wurden.

Die Aufhebung der verbliebenen Schutzmassnahmen mitten in der ersten Omikron-Welle Anfang 2022 hat die Durchseuchung der Bevölkerung noch beschleunigt, wird jedoch tendenziös als «zügige» Beendigung von «Einschränkungen» dargestellt. Besonders betroffen von der forcierten “Normalisierung”, der Verharmlosung der Infektion und der Entscheidung, den Infektionsschutz abzubauen und selbst auf niederschwellige Schutzmassnahmen wie Luftfilter zu verzichten, waren (und sind) die zumeist ungeimpften schulpflichtigen Kinder und die Jugendlichen, ihre Familienangehörigen, aber auch Lehrpersonen, die in der Folge mehrmals durchseucht wurden. Und von denen viele nach einer der zahlreichen Reinfektionen an Long COVID erkrankt sind.

Kritische Fragen zu den weitreichenden gesundheitlichen Folgen, die von vielen negiert, verharmlost oder verdrängt werden, sind in den SRF-Beiträgen keine zu finden.

Die gesellschaftliche Spaltung zeigt sich unter anderem darin, dass manche Leute politisch gefärbte Meinungen und wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse nicht auseinanderhalten. So spricht die aus dem Vokabular der Massnahmengegner:innen stammende Charakterisierung der Pandemie als «belastende Zeit der Bevormundung» Bände über die Unvoreingenommenheit, mit der die gerügte Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots überprüft wurde.

Es stellt sich auch die Frage, wie relevant es für die Beurteilung der Beschwerde war, ob ein Kommissionsmitglied C. B. «dankbar» ist.