Warum werden Eltern nicht gewarnt?
Von der Empfängnis bis zur Geburt erhöhen COVID-Infektionen die Risiken für Mutter und Kind. Die pränatale Aufklärung lässt dies ausser Acht.
Julia Doubleday, The Gauntlet
21. Juni 2024
Originaltitel: COVID infection endangers pregnancies and newborns. Why aren’t parents being warned?
Fredy Neeser, #ProtectTheKids
31. August 2024
Übersetzung, weiterführende Informationen und Recherche zur Informationslage in der Schweiz.
29. Oktober 2024: Aktualisierung der weiterführenden Informationen
Im Film Beim ersten Mal (Originaltitel: Knocked Up, umgangssprachlich für Geschwängert) bezeichnet die von Seth Rogen gespielte Hauptfigur Ben Stone das Buch What to Expect When You’re Expecting als «im Grunde eine riesige Liste von Dingen, die man nicht tun darf». Dieser Satz macht sich über die scheinbar immer länger werdende Liste von Lebensmitteln, Verhaltensweisen und Gefahren lustig, die Schwangere vermeiden sollen, um Gesundheitsrisiken für sich und ihr Baby zu vermeiden.
Obwohl werdende Mütter in der Schwangerschaftsberatung vor allen möglichen Gefahren gewarnt werden, vom Trampolinspringen bis zum Verzehr von Weichkäse, wird die Ansteckung mit einem gefässschädigenden Virus, welches das Risiko von Präeklampsie (Schwangerschaftserkrankung mit Bluthochdruck), Frühgeburten, Fehlgeburten und Totgeburten erhöht, ausser Acht gelassen. Betrachten wir doch die wissenschaftliche Evidenz.
Übersicht
- Risiken für die Schwangerschaft
- Risiken für Kinder
- Wie geht die Schweiz mit Langzeit- und Spätfolgen um?
- Risiken für Ungeborene und Neugeborene
- Risiken für Mutter und Kind: Wie geht die Gesellschaft damit um?
- Referenzen
- Fussnoten
Risiken für die Schwangerschaft
Studien, die belegen, dass COVID während der Schwangerschaft schädlich ist, gibt es zuhauf; ich werde nur auf einige wenige eingehen.
Wie das Wirtschaftsmagazin Forbes berichtete, zeigte eine Lancet-Studie (Kienast et al., 2023), dass SARS‑CoV‑2-Infektionen während der Schwangerschaft zu einer Schädigung der Plazenta durch vaskuläre Perfusionsstörungen führen können, was eine erhöhte Rate an fetalen Wachstumsstörungen, vorgeburtlichen Blasensprüngen und Fehlgeburten zur Folge haben kann.
[ Ergänzung in der deutschen Fassung: ]
Obschon in der Studie festgestellt wurde, dass die Plazentaläsionen bei den Prä-Omikron-Varianten stärker ausgeprägt waren, konnte keine definitive Aussage über die Pathogenität der Omikron-Sublinien gemacht werden, was folgende Aussage unterstreicht (Kienast et al., 2023):
«Die unterschiedliche Inzidenz von Plazentaläsionen bei den verschiedenen Virusvarianten könnte auf die geringere Pathogenität der Omikron-Variante und die höhere Durchimpfungsrate im Verlauf der Pandemie zurückzuführen sein. Unsere Ergebnisse zeigen, dass zwei ungeimpfte Schwangere, die mit SARS-CoV-2 Omikron infiziert waren, eine kugelige Plazenta entwickelten, aber nur eine von sechs dreifach geimpften Frauen.»
In einer Placenta-Studie (Heeralall et al., 2023) heisst es einleitend: «Wir schliessen daraus, dass COVID‑19-Schwangerschaften einen Sauerstoffmangel aufwiesen, was auch andere schwangerschaftsrelevante Komplikationen wie Präeklampsie oder eine intrauterine Wachstumsrestriktion (IUGR) zur Folge haben könnte.»
Aus einer im Journal of Personalized Medicine veröffentlichten Studie (Tosto et al., 2023):
«Die gewonnenen Daten deuten auf erhöhte Geburtsrisiken hin, darunter mütterliche Komplikationen, Frühgeburten, beeinträchtigtes intrauterines Wachstum des Fötus, Bluthochdruckstörungen, Totgeburten, Schwangerschaftsdiabetes und das Risiko von Entwicklungsstörungen bei Neugeborenen.»
Wie das Center for Infectious Disease Research and Policy (CIDRAP) berichtet, hat eine grosse Studie in JAMA Network Open (Jung et al., 2024) ergeben, dass SARS‑CoV‑2-Infektionen mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburten, Bluthochdruck während der Schwangerschaft und schwerer mütterlicher Morbidität einhergehen.
In einer weiteren Studie (Pandit et al., 2023) wurde festgestellt, dass schwangere Frauen, die bei einem PCR-Test positiv auf COVID getestet wurden, mit grösserer Wahrscheinlichkeit eine Präeklampsie/Eklampsie entwickelten, eher einen Kaiserschnitt benötigten und eher eine postpartale Blutung erlitten, neben anderen Risiken.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Vielzahl von Studien bei Frauen, die sich während der Schwangerschaft mit COVID infizieren, ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes, Frühgeburt, Fehlgeburt, geringes Geburtsgewicht, Geburtsfehler und mehr feststellen.
Wie andere medizinische Fachrichtungen auch, spielen Gynäkologen die Risiken jedoch oft herunter oder ignorieren sie ganz:
Eine 2022 durchgeführte Analyse (Mirsky et al., 2023) ergab, dass die Prävalenz von Schwangerschaftsdiabetes in einem akademischen Zentrum während der COVID-Periode von Juni 2020 bis Juli 2021 um fast 40 % höher war als in einer präpandemischen Periode.
In der Berichterstattung über diese Studie auf Healio hält eine der Studienautorinnen zudem fest, dass die Prävalenz von Schwangerschaftsdiabetes in der besagten Pandemieperiode deutlich höher war als vor der Pandemie, wenn man nach dem BMI vor der Schwangerschaft stratifizierte, und ergänzt, dass die Pandemie 1 ein signifikanter Prädiktor für Schwangerschaftsdiabetes blieb, wenn das mütterliche Alter, der BMI vor der Schwangerschaft und die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft 2 als mögliche Störvariablen berücksichtigt wurden.
Unmittelbar danach wird die Gynäkologin jedoch wie folgt zitiert: «Dies unterstreicht die Bedeutung einer angemessenen pränatalen Beratung zu gesunder Ernährung und einem gesunden Lebensstil. Es wirft auch die Frage auf, was genau diese erhöhten Raten verursacht, ob es COVID‑19 direkt ist oder die Auswirkungen der Quarantäne.»
Während also die eigene Studie der Ärztin gezeigt hat, dass die Pandemie ein Prädiktor für Schwangerschaftsdiabetes ist, wenn man für den BMI vor der Schwangerschaft und die Gewichtszunahme kontrolliert, deutet ihre Frage an, dass sie sich mehr um eine gesunde Ernährung sorgt als um die Variable, welche die Diabetesraten tatsächlich in die Höhe treibt. Es wurde übrigens nachgewiesen, dass COVID das Diabetesrisiko generell erhöht, und zwar auch in der Omikron-Ära (Kwan et al., 2023).
Diese Tendenz, «Lockdowns» und «Massnahmen» für die offensichtlichen gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie verantwortlich zu machen 3, untergräbt weiterhin die Unterstützung der Bevölkerung für proaktiven Gesundheitsschutz und die Eindämmung von Krankheiten im Allgemeinen. Nur zwei wesentliche Veränderungen können für die anhaltenden gesundheitlichen Effekte der Pandemie verantwortlich sein. Wer die Auswirkungen von COVID‑19 herunterspielt, trägt – bewusst oder unbewusst – dazu bei, dass Impfstoffe, Isolationsrichtlinien und Masken für die Gesundheitsschäden verantwortlich gemacht werden, die wir auf Bevölkerungsebene beobachten.
Doch wie eine Studie nach der anderen zeigt (Kontovazanitis et al. 2023), werden alle oben genannten Risiken für Schwangere und Neugeborene durch die COVID‑19-Impfung reduziert. Diese Information ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass die Verharmloser und Leugner von COVID dazu neigen, Impfungen und anderen Interventionen wie Masken, Quarantäne usw. eine schädliche Wirkung zuzuschreiben.
Reduziertes Risiko bedeutet natürlich nicht Nullrisiko. Es ist nicht einzusehen, warum schwangere Mütter aufgrund ihres COVID-Impfstatus dazu ermutigt werden, sich regelmässig einem Infektionsrisiko auszusetzen, wenn andere Risikofaktoren berücksichtigt werden, die mit einem weitaus geringeren Potenzial für gesundheitliche Schäden einhergehen.
Und die Risiken der COVID-Exposition enden nicht mit der Geburt: Babys, die vor oder auch nach der Geburt COVID ausgesetzt waren, haben ein erhöhtes Risiko für eine Vielzahl negativer gesundheitlicher Folgen und können nicht vor dem sechsten Lebensmonat geimpft werden. Immerhin vermittelt die COVID‑19-Impfung der Mutter auch einen Teilschutz für ihr Baby nach der Geburt: In einer Studie wurde bei Babys von Müttern mit einer mRNA-basierten COVID‑19-Impfung ein um 35 % geringeres Risiko einer COVID‑19-bedingten Hospitalisierung festgestellt (Simeone et al., 2023).
Risiken für Kinder
Seit Beginn der Pandemie hält sich hartnäckig der Mythos, COVID sei für Kinder ungefährlich. Dass dieser Mythos falsch ist, zeigen nicht nur die vielen Fälle von Long COVID bei Kindern und die Tatsache, dass COVID in den USA zu den häufigsten Todesursachen bei Kindern zählt und jährlich mehr Todesfälle bei Kindern verursacht als jede andere Infektionskrankheit.
Dass COVID auch bei Kindern Organschäden verursachen kann, belegen die Studien zu thrombotischer Mikroangiopathie (Diorio et al., 2020) und Diabetes (Unsworth et al., 2020; D’Souza et al., 2023; Lugar et al. 2023; Friedl et al., 2024) bei Kindern und generell die Erkenntnisse der letzten Jahre zur Pathophysiologie von Long COVID (Davis et al., 2023; Rao et al., 2024; Al-Aly, Topol et al., 2024; Al-Aly, Davis et al., 2024; Greenhalgh, Sivan et al., 2024).
Eine Studie von Kindern mit Long COVID, die Symptome wie chronische Erschöpfung, postexertionelle Malaise (PEM) und neurokognitive Probleme zeigen, konnte eine Hyperaktivierung von Blutplättchen nachweisen (Buonsenso et al., 2024). Die Thrombozytenaktivierung kann sowohl zu einer endothelialen Dysfunktion beitragen als auch Ausdruck einer systemischen Entzündung sein, an der Endothelzellen, Blutzellen und Gerinnung beteiligt sind.
Grossbritannien: Aktuelle Daten des britischen Office for National Statistics (ONS) zu Long COVID für die 4-wöchige Periode bis zum 7. März 2024 zeigen, dass geschätzte 3.3 % (2 Millionen) der in privaten Haushalten lebenden Bevölkerung von England und Schottland von selbstberichteten, lang anhaltenden Symptomen betroffen waren, die während mehr als vier Wochen nach einer bestätigten oder vermuteten COVID-Infektion anhielten und nicht anders erklärt werden konnten. Zu den Betroffenen gehörten geschätzte 1 % (Konfidenzintervall 0.7 % bis 1.4 %) der 3–17-Jährigen 4.
Die pro Monat erhobenen ONS-Daten zu lang anhaltenden Symptomen, die über mindestens vier Wochen anhielten, zeigten von Dezember 2023 bis März 2024 einen Anstieg von Long COVID bei den 3–17-Jährigen um 32 %, von 84’000 Betroffenen am 14.12.2023 auf über 111’000 am 07.03.2024. Dieser enorme Anstieg der von Long COVID betroffenen Kinder und Jugendlichen um einen Drittel innerhalb von nur drei Monaten sollte zu denken geben.
Für die Gesamtpopulation belegt eine Aufschlüsselung der aktuellen Daten nach Dauer der Symptome, dass 30 % seit weniger als einem Jahr von Long COVID betroffen sind, so dass es sich um neue Fälle seit März 2023 handeln muss. Bei den 3–17-Jährigen zeigte sich in 12 Monaten sogar ein Anstieg um 96 %, von rund 57’000 Betroffenen am 30.03.2023 auf über 111’000 am 07.03.2024.
Wie geht die Schweiz mit Langzeit- und Spätfolgen um?
Die Selbsthilfeorganisationen Long COVID Schweiz und Long COVID Kids Schweiz haben seit 2022 wiederholt ein nationales Long-COVID-Register und eine dazugehörige Kohorte gefordert, unter Einschluss von ME/CFS und anderen postinfektiösen Erkrankungen. Die Erhebung belastbarer Daten würde helfen, Ausmass, Verlauf und Mechanismen von Long COVID und ME besser zu verstehen.
Doch so genau wollte es das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nicht wissen:
Bereits während der Delta-Periode im Herbst 2021, als es aufgrund lückenhafter oder fehlender Schutzkkonzepte an den Schulen zu hohen Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen kam, blieben Bund und Kantone untätig. Während fragwürdige Pädiater sich «besorgt» zeigten, dass die Kinderpopulation Zielscheibe «belastender Massnahmen» sei, stellte der medial omnipräsente Dr. Christoph Berger, damaliger Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF), die Krankheitslast von COVID‑19 bei Kindern als «vergleichsweise gering» dar, ohne Long COVID auch nur zu erwähnen. Gleichzeitig bezeichnete er das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfung für Kinder unter 12 Jahren als unklar. Und obwohl die Situation auf den Intensivstationen erneut unhaltbar wurde, begnügte sich der Bundesrat damit, die unkontrollierte epidemiologische Entwicklung zu «beobachten».
Auch angesichts der im Dezember rasch aufkommenden «Omikron-Wand» liessen die Behörden keine Bemühungen erkennen, die Ausbreitung der Infektionen einzudämmen. Im Gegenteil: Die staatlichen Präventionsverhinderer verstärkten ihre Bemühungen, der Bevölkerung die Unausweichlichkeit der Infektion mit der angeblich milden Omikron-Variante zu verkaufen, noch bevor klinisch relevante Daten vorlagen.
Und mitten in der gigantischen ersten Omikron-Welle beschloss der Bundesrat im Februar 2022, die wenigen verbliebenen Schutzmassnahmen und die inzwischen gescheiterte Teststrategie ganz herunterzufahren, wodurch sich die ungefragte Durchseuchung grosser Teile der Bevölkerung noch beschleunigte. Ein hochriskantes Experiment, dessen Folgen man nicht so genau wissen wollte.
Im Verlauf der seither andauernden Normalitätssimulation wurde COVID-19 durch offizielle Desinformation seitens des BAG und mit Hilfe unkritischer Schweizer Massenmedien verharmlosend auf die Stufe eines grippalen Infekts gestellt. Reinfektionen mit dem gefässschädigenden SARS‑CoV‑2 wurden gar als nützlich zur Auffrischung der Immunität oder zum Abbau einer vermeintlichen Immunschuld bezeichnet.
Während eine COVID-Welle die nächste jagt, gibt es vom BAG keine angemessene Teststrategie, kein Register und keine Kohorte für Long COVID und die immer grössere Zahl der Betroffenen. Und auch keine Aufklärung darüber, dass COVID-Reinfektionen mit einem anhaltenden und erheblichen Risiko von Langzeit- und Spätfolgen verbunden sind. Seit die starke JN.1-Welle vor Weihnachten 2023 über uns hereingebrochen ist, berichten Long COVID Kids Schweiz und Long COVID Schweiz von zahlreichen neuen Fällen.
Mitte 2024 kämpft sich eine erneut kränkelnde Schweiz im fortgesetzten pandemischen Blindflug des schweigenden BAG durch eine sommerliche Infektionswelle. Berieselt von jahrelanger Desinformation hat ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung keine Ahnung, dass die ständigen Infektionen etwas mit COVID zu tun haben, geschweige denn, dass Infektionen und zeitlich verzögert auftretende neurologische, kardiovaskuläre, gastrointestinale und andere Störungen in einem Zusammenhang stehen könnten.
Die weltweite, von KP.*-Varianten dominierte Welle, die auch in Europa mit hohen Abwasserwerten, vermehrten Hospitalisierungen und erhöhter Übersterblichkeit einhergeht, bestätigt nur, dass die Pandemie andauert und ohne Prävention weitere gesundheitliche Schäden zu erwarten sind.
Risiken für Ungeborene und Neugeborene
Die Unwahrheit, dass COVID für Kinder ungefährlich sei 5, hat sich irgendwie in die noch abwegigere Vorstellung verwandelt, COVID sei sogar für Ungeborene und Neugeborene harmlos.
Tatsächlich fand eine amerikanische Studie, dass Säuglinge unter zwei Monaten ein sechsmal höheres Risiko haben, wegen einer COVID-Infektion hospitalisiert zu werden als andere Kinder unter fünf Jahren. Während der ersten Omikron-Wellen hatten sie die zweithöchste Hospitalisierungsrate nach den Senioren über 65.
England: Eine im Journal of Pediatrics veröffentlichte (Wilde et al., 2024) und hier besprochene Studie zu Trends bei pädiatrischen Hospitalisierungen in England zeigt, dass die Pandemie für Babys so schlimm ist wie eh und je – in den 12 Monaten bis August 2023 wurden 6’300 Babys unter einem Jahr ausschliesslich oder zum Teil wegen COVID ins Krankenhaus eingeliefert. Sie sind die einzige Altersgruppe, in der die Hospitalisierungen im Laufe der Zeit nicht zurückgegangen sind.
Die Studie untersuchte alle Hospitalisierungen von Kindern in England, die im Zeitraum von August 2020 bis August 2023 eine COVID-Diagnose bekamen oder positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Alle Einweisungen, bei denen eine COVID-Diagnose zufällig war (d.h. nicht der Grund für den Krankenhausaufenthalt), wurden anhand einer strengen Klassifizierungsmethode ausgeschlossen.
Kleinkinder (Babys unter 1 Jahr) haben im Allgemeinen ein höheres Risiko bei Infektionen, welche (unter anderem) die Atemwege betreffen. Ausserdem sind sie die Altersgruppe, die im Falle einer Infektion in der überwiegenden Zahl der Fälle (> 99%) zum ersten Mal mit dem Virus in Berührung kommt. Sie sind auch nicht geimpft.
Über den gesamten Zeitraum der Studie machten COVID-bedingte Hospitalisierungen von Kleinkindern 43% aller Krankenhausaufnahmen von Kindern unter 18 Jahren aus (19’700/45’900).
Nachdem die Säuglingssterblichkeit in den USA 6 seit 2007 von Jahr zu Jahr gesunken war, stieg sie zwischen 2020 und 2021 um 2 % und zwischen 2021 und 2022 um 3 % an. COVID-Infektionen können auch zu schweren Komplikationen wie akutem Lungenversagen (ARDS) oder Sepsis führen, wie die amerikanische Mortalitätsstatistik für 2022 zeigt: So haben die Todesfälle durch ARDS um 11 % und diejenigen durch bakterielle Sepsis um 14 % zugenommen.
Wenn in den Gesundheitsleitlinien gefährdeten Gruppen 7 empfohlen wird, ihre persönlichen Risikoabwägungen vorzunehmen, dann scheinen Säuglinge unter sechs Monaten zu den Personen zu gehören, von denen erwartet wird, dass sie eigenverantwortliche Gesundheitsentscheidungen treffen.
Vor COVID wurde Eltern jahrzehntelang geraten, Neugeborene zu Hause zu behalten. Babys sind notorisch anfällig für Infektionen. Historisch starb fast die Hälfte aller Kinder vor Erreichen des Erwachsenenalters, wobei die unter 5-Jährigen und erst recht die Neugeborenen besonders gefährdet waren. Neugeborene durch kollektives Handeln vor Infektionen zu schützen war in unserer Gesellschaft vor Beginn der COVID-Normalisierungspolitik eine Selbstverständlichkeit.
In einem WebMD-Artikel von 2011 mit dem Titel «Protecting Your Baby From Other People’s Germs» weisen pädiatrische Fachpersonen darauf hin, dass Keime wie Erkältungs- und Grippeviren, die bei Erwachsenen recht harmlos sind, bei Kleinkindern Probleme verursachen können. Aus diesem Grund sollten Eltern sehr darauf achten, ihre Babys in den ersten drei Monaten – und wenn möglich in den ersten sechs Monaten – vor Keimen zu schützen.
Doch jetzt, da ein viel gefährlicheres, gefässschädigendes und neurotropes Virus auf hohem Niveau zirkuliert und in zwei bis drei jährlichen COVID-Wellen einen grossen Teil der Bevölkerung heimsucht, ist praktisch keine Kommunikation mit Eltern und der breiten Öffentlichkeit über die Eindämmung der multisystemischen Krankheit im Umfeld von Kleinkindern zu erkennen.
Schweiz: Im Bereich «Gesundheitsförderung & Prävention» empfiehlt das BAG für Säuglinge und Kinder verschiedene Basisimpfungen gegen Infektionskrankheiten, ohne den Schutz vor Übertragung überhaupt anzusprechen. Bei COVID-19, der hochansteckenden, multisystemischen Krankheit mit ein bis zwei Reinfektionen pro Person und Jahr, lässt das BAG den grössten Teil der Kinderpopulation auf der Strecke und beschränkt sich auf eine Impfempfehlung für Risikogruppen oder Risikosituationen, mit folgender Begründung:
«Nicht alle Kinder haben dasselbe Risiko, sich mit einer Krankheit anzustecken oder eine gefährliche Komplikation zu entwickeln. Ein erhöhtes Risiko kann verschiedene Ursachen haben wie Frühgeburt, chronische Krankheiten, ein schwaches Immunsystem oder ein bestimmter Aufenthaltsort (gefährdete Region).»
Dabei verschweigt das BAG, dass COVID während der Schwangerschaft das Risiko einer Frühgeburt erhöht und dass jede COVID-Infektion, selbst bei mildem Verlauf in der akuten Phase, mit einer Schwächung (Dysregulation) des Immunsystems und einem erhöhten Risiko für Organschäden und chronische Krankheiten wie Diabetes und Long COVID verbunden ist. Und weder das BAG noch die Kantone scheint es zu interessieren, dass Familien mit Kindern, die sich in unzureichend belüfteten Klassenzimmern aufhalten müssen, einem weiterhin hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
In vorpandemischen Zeiten ging man davon aus, dass Grippe- und Erkältungsviren durch Tröpfchen übertragen werden, d. h. man glaubte, dass Viruspartikel schnell zu Boden fallen und nicht über längere Zeit in der Luft hängen bleiben. Da wir nun wissen, dass sich Viren über die Luft ausbreiten und dass virenbeladene Aerosolpartikel auch über grössere Distanzen übertragen werden (Wang, C.C. et al., 2021; Sachs et al., 2022), sollte die Gesundheitspolitik neu ausgerichtet werden:
Eine der Realität angepasste Gesundheitspolitik setzt sich eine Verringerung der Übertragungsrisiken zum Ziel, indem sie die Verbesserung der Luftqualität in Klassenzimmern und anderen öffentlichen Innenräumen mit hoher Personendichte fördert (Morawska et al., 2024). Darüber hinaus empfiehlt sie das Tragen gut passender Atemschutzmasken der Klasse FFP2+ oder N95 (Greenhalgh, MacIntyre et al., 2024) in Situationen, in denen ein hohes Risiko der Übertragung durch nahen Kontakt und/oder ein hohes Folgerisiko besteht, d. h. bei hoher Inzidenz und generell in Gesundheitseinrichtungen.
Sowohl die pränatale als auch die postpartale Exposition gegenüber COVID schadet dem Säugling und birgt eine Reihe von Risiken, darunter Atemwegsprobleme, Entwicklungsverzögerungen und vieles mehr.
In einer Lancet-Studie (Stoecklein et al., 2022) wurde festgestellt, dass das fetale Lungenvolumen bei Babys von Müttern, die während der Schwangerschaft eine «milde» COVID-Infektion hatten, deutlich reduziert war. Eine Infektion vor der Geburt birgt längerfristige Risiken für das Kind. Eine weitere, kürzlich in Nature Communications veröffentlichte Studie (Man et al., 2024), über die NBC News berichtete, ergab Folgendes:
«Babys von Müttern, die während der Schwangerschaft mit Covid infiziert waren, wiesen bei der Geburt oder kurz danach “ungewöhnlich hohe Raten” von Atemnot auf. (…) Atemnot wurde dabei definiert als mindestens zwei von vier Symptomen: Eine langsame Atemfrequenz, blasse oder bläuliche Haut, geblähte Nasenlöcher oder ein Zusammenziehen der Brust bei jedem Atemzug.»
In einer weiteren Studie (Jackson et al., 2024) wurde untersucht, ob eine Exposition mit SARS‑CoV‑2 während der Schwangerschaft die langfristige Entwicklung und die Atmung der Säuglinge beeinflusste und ob sie mehr gesundheitliche Probleme hatten als nicht exponierte Kinder. In einem Artikel der Universität Leicester heisst es dazu:
«Das Team stellte fest, dass sich die Gesamtentwicklung im Alter von zwei Jahren nicht zwischen Kindern unterschied, die SARS‑CoV‑2 ausgesetzt waren, und solchen, bei denen dies nicht der Fall war. Allerdings bestand bei der exponierten Kohorte ein grösseres Risiko für eine leicht verzögerte sozial-emotionale Entwicklung.
Wichtig ist, dass Kinder, die dem Virus in der Perinatalperiode ausgesetzt waren, im Vergleich zur nicht exponierten Kohorte auch mehr Probleme mit der Atmung hatten und mehr medizinische Betreuung benötigten, einschliesslich mehr stationärer, ambulanter und hausärztlicher Behandlungen bis zum Alter von zwei Jahren.»
Mit anderen Worten: Kinder, die vor oder nach der Geburt COVID ausgesetzt waren, benötigten auch im Alter von zwei Jahren noch mehr medizinische Unterstützung.
In einer Studie über die Entwicklung des fötalen Gehirns in Trends in Molecular Medicine (Shook et al., 2022) heisst es:
«Angesichts des Potenzials für eine umfangreiche mütterliche Immunaktivierung (MIA) sind Auswirkungen auf das sich entwickelnde fötale Gehirn wahrscheinlich.»
Eine Studie von Schwangerschaften in den Jahren 2022 und 2023 (Qiu et al., 2024) hat festgestellt, dass eine COVID-Infektion das Risiko eines fetalen Situs inversus, eines seltenen Geburtsfehlers, bei dem die Organe spiegelbildlich angeordnet sind, deutlich erhöhte. In einer weiteren Studie (Şahan et al., 2024) wurden bei Säuglingen, deren Mütter sich im zweiten Trimester mit COVID infiziert hatten, Beeinträchtigungen der Herzfunktion festgestellt. Die Liste liesse sich fortsetzen.
Zusammenfassend zeigt die Studienlage ein breites Spektrum von Auswirkungen auf die Entwicklung von Säuglingen, die im Mutterleib oder kurz nach der Geburt einer COVID-Infektion ausgesetzt waren.
Risiken für Mutter und Kind: Wie geht die Gesellschaft damit um?
Wir haben festgestellt, dass eine Infektion mit SARS‑CoV‑2 für die Schwangerschaft und das Kind ein Risiko darstellt. Empfehlen Gynäkologen deshalb schwangeren Frauen, eine Maske zu tragen? Wird Eltern empfohlen, wegen der nicht enden wollenden COVID-Suppe, in der wir schmoren, Neugeborene zu Hause zu behalten? Werden Familienmitglieder von frischgebackenen Eltern angewiesen, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen, damit sie ihre Neugeborenen nicht mit COVID anstecken?
Wie in vielen anderen Bereichen der Medizin werden die von COVID ausgehenden Risiken auch in der Schwangerschaftsberatung weitgehend ignoriert oder heruntergespielt.
Schweiz: Eine Recherche von #ProtectTheKids im Sommer 2024 ergab, dass Informationen von Schweizer Behörden, medizinischen Fachgesellschaften und Verbänden zu den Risiken von COVID-19 für Mutter und Kind im Gegensatz zu Informationen über Grippe und grippale Infekte schlecht sichtbar und oft nur über eine Suchfunktion zugänglich sind. Zu grossen Teilen sind sie inkonsistent und verharmlosend oder stehen im Widerspruch zum wissenschaftlichen Konsens, insbesondere was die Übertragungswege von SARS‑CoV‑2, den Schutz vor Ansteckung und die Risiken von Langzeit- und Spätfolgen im Zusammenhang mit COVID-19 betrifft.
Die desolate offizielle Informationslage in der Schweiz zu den Risiken von COVID‑19 für Mutter und Kind betrifft Internetseiten des BAG und der kantonalen Gesundheitsbehörden, Informationsseiten von medizinischen Fachgesellschaften und das Portal swissmom, die grösste Schweizer Informationsplattform rund um Schwangerschaft, Geburt und Kind, die von medizinischen Fachgesellschaften und Verbänden mit Unterstützung der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz betrieben wird, die der Kontrolle des Bundes unterliegt.
Das erschreckende Ausmass der offiziellen Fehlinformation, der Verharmlosung und der Informationslücken über die Risiken von COVID-19, Reinfektionen und Long COVID für Familien untergräbt Bemühungen, die erheblichen kurz- und langfristigen Risiken von COVID-19 für Schwangere, Ungeborene, Neugeborene und Familien mit Kindern überhaupt zu verringern.
USA: Auf der Seite During Pregnancy der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC ist eine lange Liste von Themen rund um die Schwangerschaft zu finden, darunter Folsäure, Impfstoffe, Zigaretten, Alkohol, Cannabis, sichere Lebensmittelauswahl, Geschlechtskrankheiten, Toxoplasmose, HIV und West-Nil-Virus. Kein Wort über die führende Infektionskrankheit mit Todesfolge in den USA, aber ein ganzer Abschnitt über West-Nil, von dem es 2023 insgesamt 2’406 Fälle gab.
Es gibt politische, psychologische und soziale Gründe, warum die Gesundheitsbehörden und viele medizinische Fachkräfte versuchen, COVID zu verbergen, zu ignorieren und herunterzuspielen.
Vermeintlicher Sieg über die Pandemie
Nachdem es mit den COVID-Impfstoffen und einer Vax-and-relax-Politik nicht gelungen war, wie erhofft eine Herdenimmunität herbeizuführen, gingen die Behörden dazu über, der Öffentlichkeit den «Sieg über die Pandemie» zu verkaufen. Aus diesem Grund begannen politische Gesundheitsbehörden wie das BAG und die EKIF in der Schweiz oder die CDC in den USA Anfang 2022 damit, die Auswirkungen einer Infektion mit Omikron herunterzuspielen, Infektionen als unvermeidlich darzustellen und den Menschen die Vorteile einer «breiten Immunität durch Impfung und Infektion» anzupreisen.
Schweiz, Februar 2022: Der Bundesrat verkündete den «Sieg über die Pandemie», noch bevor Kinder unter 12 Jahren realistischerweise geimpft werden konnten und mitten in der massiven ersten Omikron-Welle. Der Bundesrat sei in der Pandemie eine Wette eingegangen, so der damalige Bundespräsident Cassis. Andere Länder hätten viel schärfere Massnahmen ergriffen als die Schweiz, und man könne heute klar sagen, dass der Bundesrat diese Wette «gewonnen» habe. Mit Verweis auf eine angeblich breite Immunität in der Bevölkerung reduzierte selbiger die verbliebenen Schutzmassnahmen in kurzer Zeit auf ein wirkungsloses Minimum, als ob es keinen Grund mehr gäbe, die Ausbreitung der Infektionen einzudämmen. In der Folge kam es zu einer massiven Durchseuchung der Bevölkerung, insbesondere der grösstenteils ungeschützten Kinder und Jugendlichen wie auch ihrer Familien.
USA, Winter 2021/2022: Die US-Gesundheitsbehörde CDC verkürzte die COVID-Isolationszeit auf Drängen des CEO von Delta Airlines, die wegen des hohen Krankenstandes ihre Flüge nicht mehr ausreichend besetzen konnten. Seither wurde die Wissenschaft von der Behörde zugunsten politischer und wirtschaftlicher Erwägungen ignoriert; nach den neuen CDC-Leitlinien beträgt beträgt Isolationszeit jetzt «einen Tag, wenn Sie wollen», was nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Übertragung von COVID entspricht, aber das politische Ziel der CDC erreicht, kranke Menschen wieder an den Arbeitsplatz zu zwingen.
«Das neue Normal» der nicht enden wollenden Reinfektionen
Nachdem die Durchseuchung mit Omikron BA.1 und BA.2 nicht wie versprochen zu einer langlebigen Bevölkerungsimmunität geführt hatte, gingen die Behörden dazu über, das «neue Normal» der nicht enden wollenden Reinfektionen als Mittel zur «Auffrischung der Immunität» zu verkaufen, ohne die Öffentlichkeit auch nur im Ansatz über die Konsequenzen der raschen evolutionären Entwicklung von SARS‑CoV‑2 und die Gesundheitsrisiken durch Reinfektionen zu informieren. Die Akzeptanz ständiger Reinfektionen seit ca. 2023 beruht zu einem grossen Teil auf einer durch mangelnde Aufklärung und Desinformation entstandenen Vorstellung, COVID-Infektionen seien gesundheitlich neutrale, unbedenkliche Ereignisse – was durch keine Forschung oder Studie jemals belegt wurde.
Gremien wie Swissnoso oder HICPAC, das Beratungsgremium der CDC für Infektionskontrolle, geben weiterhin Richtlinien heraus, die COVID-Infektionen nicht bekämpfen, während sie auf immer abstrusere Ausreden zurückgreifen, um in den Spitälern keine wirksamen Vorkehrungen gegen die viel zu hohen Raten nosokomialer COVID-Infektionen ergreifen zu müssen. Unter anderem wird allen Ernstes argumentiert, man könne keine Masken vorschreiben, weil die Leute sie nicht tragen wollten. Dabei wird ignoriert, dass es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gedauert hat, bis Hygienevorschriften wie das Tragen von Schutzhandschuhen vollständig befolgt wurden, und dass Richtlinien zur Infektionskontrolle nicht dazu gedacht sind, jenen zu schmeicheln, die sie nicht befolgen wollen.
Das Anfang 2024 veröffentlichte, in sich widersprüchliche Dokument der WHO zur Terminologie der Übertragungsmodi luftgetragener Pathogene räumt zwar endlich ein, dass COVID vollständig «through the air» übertragen wird 8, verzichtet aber inkonsequenterweise auf Empfehlungen zum Schutz vor luftgetragenen Krankheitserregern und bestärkt sogar die Einrichtungen des Gesundheitswesens darin, selbst zu entscheiden, ob sie denn eine Infektionskontrolle als notwendig erachten oder nicht.
Kollektive Verdrängung
All dies erzeugt einen enormen Druck von oben auf das medizinische Personal, COVID als mild oder gar als gesundheitlich unbedenklich zu betrachten. Wenn Experten für Infektionsschutz und Healthcare-assoziierte Infektionen von Gremien wie HICPAC und Swissnoso die medizinischen Fachkräfte dazu ermutigen, die Verbreitung von COVID in Spitälern zuzulassen, entsteht bei Ärztinnen, Ärzten und Pflegenden ein enormes moralisches Dilemma, wenn sie mit ansehen müssen, wie hospitalisierte Patientinnen und Patienten infiziert werden. Es sei denn, COVID ist harmlos und kann ihnen keinen Schaden zufügen.
Hier kommen psychologische und soziale Mechanismen ins Spiel.
Selbst von der Politik beeinflusste Behörden wie die WHO, die CDC in den USA oder das BAG und die EKIF in der Schweiz haben nie behauptet, COVID sei für gefährdete Gruppen nicht gefährlich. Tatsächlich beruht ihre normalisierende Propaganda auf der Abwälzung der schädlichen Auswirkungen auf die dauerhaft aussortierte Gruppe der Vulnerablen oder – im Jargon des BAG – der Gruppe besonders gefährdeter Personen (BGP), welche sich auf alle ausdehnt, die das Pech haben, Long COVID zu entwickeln oder anderweitig durch COVID geschädigt zu werden.
Von Anfang 2022 bis Ende 2023 kam es in der Schweiz zu einer Übersterblichkeit von ca. 10’000 zusätzlichen Todesfällen, die auf COVID zurückzuführen sind, aber bei rechtzeitiger Einführung von Schutzmassnahmen gegen luftübertragene Erreger grösstenteils hätten vermieden werden können. Nach der Logik des BAG handelte es sich dabei durchwegs um «besonders gefährdete Personen». Müssten dann nicht vulnerable Personen wie Schwangere, Ungeborene und Kleinkinder am besten geschützt werden, mit einem wirksamen, mehrschichtigen Schutz vor Übertragung?
Leider sind medizinische Einrichtungen Orte, an denen die widersprüchliche Logik von Gesundheitsbehörden, die den Schutz vor luftübertragenen Infektionen vernachlässigen, gänzlich zusammenbricht. Krankenhausumgebungen, in denen gefährdete Personen ohne jeglichen Aerosolschutz einem nachweislich hohen COVID-Infektionsrisiko ausgesetzt sind, erzeugen bei informierten Beteiligten eine kognitive Dissonanz, die es wenn immer möglich aufzulösen gilt.
Nach der Logik dieser neuen «Normalität» kann jede(r) vor dem Verlassen des Hauses das aktuell zu erwartende Ansteckungsrisiko selber abschätzen. Anhand der praktischen Regierungsdaten, deren Qualität und Verfügbarkeit immer weiter abgebaut wurde und die auf Tests beruhen, auf welche die Menschen keinen Zugriff mehr haben, sollen also Vulnerable und solche, die es nicht werden wollen, einschätzen können, wie wahrscheinlich es ist, dass sie einen gesundheitlichen Schaden erleiden, wenn sie einen öffentlichen Raum betreten. Aber in einem Spital bricht dieses Konzept – dass sich gefährdete Personen bei Bedarf eigenverantwortlich vor anderen schützen können – völlig zusammen. Weder die Richtlinien der WHO, noch diejenigen von BAG, Swissnoso oder CDC und HICPAC schützen Patientinnen und Patienten vor hochansteckenden, respiratorisch via Raumluft übertragbaren Krankheiten in Gesundheitseinrichtungen.
Die Realität ist nämlich folgende: Wenn es keine Vorschriften zur Bekämpfung von luftübertragenen Krankheitserregern gibt und SARS‑CoV‑2 weiterhin auf hohem Niveau in der Gesellschaft zirkuliert, ist es sehr wahrscheinlich, dass man in einer Gesundheitseinrichtung damit in Kontakt kommt. Anstatt aus diesen Fakten zu schliessen: «Hey, wenn COVID den Menschen schadet, dann ist es vielleicht eine gute Idee, der unkontrollierten Verbreitung von SARS‑CoV‑2 Einhalt zu gebieten, und zwar in der gesamten Gesellschaft», ziehen viele Mediziner den umgekehrten Schuss: «Wenn die unkontrollierte Verbreitung von SARS‑CoV‑2 in der Gesellschaft insgesamt erlaubt ist, dann heisst das doch, dass COVID den Menschen nicht schaden kann.»
Schwangere und Neugeborene sind verletzliche Mitglieder unserer Gesellschaft, genau wie ältere Menschen. Der Unterschied besteht darin, dass unsere Leistungsgesellschaft – mit ihrer ableistischen bis sozialdarwinistischen Tendenz, es vulnerablen Menschen selbst zu überlassen, ob sie ein hohes Infektionsrisiko eingehen oder sich eigenverantwortlich zuhause einschliessen wollen – lieber die Älteren als «Paradebeispiel» heranzieht, weil die Öffentlichkeit leichter davon zu überzeugen ist, dass ältere Menschen mit Corona geschädigt werden können oder dürfen.
Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Vorerkrankungen oder anderen Handicaps eignen sich auch besser als Opferlämmer für die Normalitätskampagne der Ableisten, die gerne behaupten, dass nur diejenigen durch die ungebremste Ausbreitung von Krankheiten geschädigt würden, bei denen dies aufgrund von Vorerkrankungen ohnehin zu erwarten sei. Seit sich der Ableismus im Verlauf der Pandemie noch weiter ausgebreitet hat, scheint es für einen Teil der Öffentlichkeit in Ordnung zu sein, wenn man ihnen sagt, dass sie mit ihrem Verhalten alten und vulnerablen Menschen Schaden zufügen.
Aber wie es sich zeigt, denken die wenigsten gerne daran, dass ihr Verhalten schwangeren Frauen, Neugeborenen und Kindern schadet. Der kollektive Ansatz zur Beseitigung dieser Schäden – von Ärzten bis hin zu Familienmitgliedern – besteht daher darin, so zu tun, als ob es sie nicht gäbe.
Wenn Gesundheitspersonal und Familienangehörige erst einmal verstehen, wie wichtig es ist, COVID zu vermeiden, um Neugeborene zu schützen, würden sie dann eine bessere öffentliche Reaktion auf die Ausbreitung der Krankheit fordern als Wegschauen und Ignorieren?
Würden sie anfangen, darüber nachzudenken, dass COVID-Infektionen in Wirklichkeit nicht – wie uns seit Ende 2021 eingeredet wird – völlig unvermeidlich und völlig harmlos sind?
Die inzwischen weit verbreitete Scheu, das Wort “COVID” auch nur auszusprechen, führt leider dazu, dass werdende Eltern bei ihren Bemühungen um eine angemessene “persönliche Risikoabwägung” zu COVID-19 von den Gesundheitsbehörden und medizinischen Fachgesellschaften weitgehend im Unklaren gelassen werden.
Schwangere verdienen ehrliche Informationen über die Risiken von COVID für Mutter und Kind und darüber, wie sie sich am besten vor Infektionen schützen können. Und die Öffentlichkeit sollte wissen, dass unsere Gleichgültigkeit gegenüber dem Schutz verletzlicher Personen auch schwangere Frauen und Neugeborene gefährdet.
Referenzen
Al-Aly, Z., Topol, E. (2024). Solving the puzzle of Long Covid. Science 383; 830–832; Feb. 22, 2024. doi: 10.1126/science.adl0867
Al-Aly, Z., Davis, H., McCorkell, L. et al. (2024). Long COVID science, research and policy. Nat Med. 2024; Aug 30, 2024. doi: 10.1038/s41591-024-03173-6
Buonsenso, D., Martino, L., Morello, R. et al. (2023). Viral persistence in children infected with SARS‑CoV‑2: current evidence and future research strategies. The Lancet Microbe 4; Epub June 26, 2023. doi: 10.1016/S2666-5247(23)00115-5
Buonsenso, D., Sorrentino , S., Ferretti, A. et al. (2024). Circulating Activated Platelets in Children With Long Covid: A Case-Controlled Preliminary Observation. The Pediatric Infectious Disease Journal; Epub July 15, 2024. doi: 10.1097/INF.0000000000004470
Davis, H.E., McCorkell, L., Vogel, J.M., Topol, E.J. (2023). Long COVID: major findings, mechanisms and recommendations. Nat Rev Microbiol 21; 133–146. doi: 10.1038/s41579-022-00846-2
Diorio, C., McNerney, K.O., Lambert, M. et al. (2021). Evidence of thrombotic microangiopathy in children with SARS‑CoV‑2 across the spectrum of clinical presentations. Blood Adv. 2020; Epub Dec 8, 2020. doi: 10.1182/bloodadvances.2020003471
D’Souza, D., Empringham, J., Pechlivanoglou, P. et al. (2023). Incidence of Diabetes in Children and Adolescents During the COVID-19 Pandemic: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Netw Open; Epub June 30, 2023. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2023.21281
Friedl, N., Sporreiter, M., Winkler, C. et al. (2024). Progression From Presymptomatic to Clinical Type 1 Diabetes After COVID-19 Infection. JAMA; Epub July 15, 2024. doi: 10.1001/jama.2024.11174
Greenhalgh, T., MacIntyre, C.R., Baker, M.G. et al. (2024). Masks and respirators for prevention of respiratory infections: a state of the science review. Clin Microbiol Rev 37; May 22, 2024. doi: 10.1128/cmr.00124-23
Greenhalgh, T., Sivan, M., Perlowski, A. et al. (2024). Long COVID: a clinical update. The Lancet; Epub July 31, 2024. doi: 10.1016/S0140-6736(24)01136-X
Heeralall, C., Ibrahim, U.H., Lazarus, L. et al. (2023). The effects of COVID‑19 on placental morphology. Placenta 138; 88–96, July 2023. doi: 10.1016/j.placenta.2023.05.009
Jackson, R., Cornish, R., Daskalopoulou, Z. et al. (2024). Association of antenatal or neonatal SARS‑CoV‑2 exposure with developmental and respiratory outcomes, and healthcare usage in early childhood: a national prospective cohort study. Lancet eClin Med. 72; May 3, 2024. doi: 10.1016/j.eclinm.2024.102628
Jung, S., Liu, E.F., Goin, D.E. et al. (2024). The COVID‑19 Pandemic Period, SARS‑CoV‑2 Infection, and Perinatal Health. JAMA Netw Open; May 9, 2024. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.10696
Kienast, P., Prayer, D., Binder, J., Prayer, F., Dekan, S. et al. (2023). SARS‑CoV‑2 variant-related abnormalities detected by prenatal MRI: a prospective case-control study. Lancet Reg Health Eur.; Epub Jan 21, 2023. doi: 10.1016/j.lanepe.2023.100587
Kontovazainitis, C.G., Katsaras, G.N., Gialamprinou, D. et al. (2023). Covid‑19 vaccination and pregnancy: a systematic review of maternal and neonatal outcomes. J Perinat Med.; Feb 17, 2023, 823–839. doi: 10.1515/jpm-2022-0463
Kwan, A.C., Ebinger, J.E., Botting, P. et al. (2023). Association of COVID‑19 Vaccination With Risk for Incident Diabetes After COVID‑19 Infection. JAMA Netw Open; Feb 23, 2023. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.55965
Lugar, M., Eugster, A., Achenbach, P. et al. (2023). SARS-CoV-2 Infection and Development of Islet Autoimmunity in Early Childhood. JAMA; Epub Sept 8, 2023. doi: 10.1001/jama.2023.16348
Man, O.M., Azamor, T., Cambou, M.C. et al. (2024). Respiratory distress in SARS‑CoV‑2 exposed uninfected neonates followed in the COVID Outcomes in Mother-Infant Pairs (COMP) Study. Nat Commun 15; Jan 24, 2024. doi: 10.1038/s41467-023-44549-5
Mirsky, E.L., Mastronardi, A.M., Paudel, A. et al. (2023). The COVID‑19 pandemic and prevalence of gestational diabetes: Does gestational weight gain matter? Am J Obstet Gynecol MFM; Epub Feb 9, 2023. doi: 10.1016/j.ajogmf.2023.100899
Morawska, L. et al. (2024). Lessons from the COVID-19 pandemic for ventilation and indoor air quality. Science 385; 396–401. doi: 10.1126/science.adp2241
Pandit, U., Shrestha, N., Khanal, G. (2023). Effects of COVID‑19 Virus Infection on Pregnancy Outcomes: a Systematic Review and Meta-analysis. J Nepal Health Res Counc.; 187–196, Dec 13, 2023, doi: 10.33314/jnhrc.v21i02.4488
Qiu, S., Wu, S., Yin, R. et al. (2024). Correlation between COVID‑19 infection and fetal situs inversus. Birth Defects Res.; Epub March 5, 2024. doi: 10.1002/bdr2.2324
Rao, S., Gross, R.S., Mohandas, S. et al. (2024). Postacute Sequelae of SARS‑CoV‑2 in Children. Pediatrics; AAP publications; Epub Feb 7, 2024. doi: 10.1542/peds.2023-062570
Razzaghi, H., Forrest, C.B., Hirabayashi, K. et al. (2024). Vaccine Effectiveness Against Long COVID in Children. Pediatrics; AAP publications; Epub April 1, 2024. doi: 10.1542/peds.2023-064446
Sachs, J.D. et al. (2022). The Lancet Commission on lessons for the future from the COVID‑19 pandemic. The Lancet 400; Epub Sept 14, 2022. doi: 10.1016/S0140-6736(22)01585-9
Şahan, Y.Ö., Sakcak, B., Göncü Ayhan, Ş. et al. (2024). The influence of maternal COVID‑19 on cardiac functions: From fetal life to infancy. Echocardiography; Epub Jan 17, 2024. doi: 10.1111/echo.15736
Shook, L.L., Sullivan, E.L., Lo, J.O. et al. (2022). COVID‑19 in pregnancy: implications for fetal brain development. Trends Mol Med.; Epub Feb 14, 2022. doi: 10.1016/j.molmed.2022.02.004
Simeone, R.M., Zambrano, L.D., Halasa, N.B. et al. (2023). Effectiveness of Maternal mRNA COVID‑19 Vaccination During Pregnancy Against COVID‑19-Associated Hospitalizations in Infants Aged <6 Months During SARS‑CoV‑2 Omicron Predominance – 20 States, March 9, 2022 – May 31, 2023. MMWR Morb Mortal Wkly Rep.; Sept 29, 2023. doi: 10.15585/mmwr.mm7239a3
Stoecklein, S., Koliogiannis, V., Prester, T. et al. (2022). Effects of SARS‑CoV‑2 on prenatal lung growth assessed by fetal MRI. Lancet Respir Med. 10; Feb 16, 2022. doi: 10.1016/S2213-2600(22)00060-1
Tosto, V., Meyyazhagan, A., Alqasem, M. et al. (2023). SARS‑CoV‑2 Footprints in the Placenta: What We Know after Three Years of the Pandemic. J Pers Med.; April 21, 2023. doi: 10.3390/jpm13040699
Unsworth, R., Wallace, S., Oliver, N.S. et al. (2020). New-Onset Type 1 Diabetes in Children During COVID-19: Multicenter Regional Findings in the U.K. Diabetes Care; Epub Aug 17, 2020. doi: 10.2337/dc20-1551
Wang, C.C. et al. (2021), Airborne transmission of respiratory viruses. Science 373; doi: 10.1126/science.abd9149
Wang, L., Davis, P.B., Berger, N. et al. (2022). Association of COVID‑19 with respiratory syncytial virus (RSV) infections in children aged 0-5 years in the USA in 2022: a multicentre retrospective cohort study. Fam Med Community Health; Oct. 2023. doi: 10.1136/fmch-2023-002456
Wilde, H., Tomlinson, C., Mateen, B.A. et al. (2024). Trends in Pediatric Hospital Admissions Caused or Contributed by SARS-CoV-2 Infection in England. The Journal of Pediatrics; Epub Oct. 17, 2024. doi: 10.1016/j.jpeds.2024.114370
Fussnoten
- Eine wörtliche Übersetzung “Die Geburt während der Pandemie” ergäbe keinen Sinn als Prädiktor für Schwangerschaftsdiabetes. ↩︎
- Sie verlinkt dazu einen weiteren Healio-Artikel zu einer anderen, vorpandemischen Studie, in der ebenfalls kein Zusammenhang zwischen einer starken Gewichtszunahme während der Schwangerschaft und einem erhöhten Risiko für Schwangerschaftsdiabetes gefunden wurde. ↩︎
- In der Schweiz wurde das öffentliche Leben zum Schutz der Bevölkerung in der ausserordentlichen Lage vom 16.03.2020 bis zum 10.05.2020 mit einem (einzigen) Shutdown heruntergefahren. Während der besonderen Lage gab es dann bis Ende März 2022 zeitweise gezieltere, allerdings nie flächendeckende und häufig lückenhafte Schutzmassnahmen auf Basis einer TTIQ-Strategie (Test-Trace-Isolate-Quarantine). Es gab jedoch nie einen «Lockdown» mit einer allgemeinen Ausgangssperre, auch wenn Massnahmenkritiker diesen Begriff immer wieder verwenden. ↩︎
- Das Fehlen von Daten für die 0–2-Jährigen verdeutlicht, dass Kleinkinder nicht einfach nach ihren Symptomen befragt werden können, und ist gleichzeitig problematisch, da Kinder in dieser Altersgruppe seit Omikron überdurchschnittlich häufig hospitalisiert werden. ↩︎
- «D Chind (mit Covid) mached de Chind nüt (..). Das Covid isch für die Chind nöd gfährlich». EKIF-Präsident Dr. Christoph Berger im SRF-Club vom 23.11.2021. ↩︎
- US-Daten für 2023 liegen noch nicht vor. ↩︎
- BAG: «Besonders Gefährdete Personen» (BGP) oder auch «Personen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf». ↩︎
- Die WHO hat für das seit 2021 von der wissenschaftlichen Gemeinschaft breit anerkannte Konzept der airborne transmission die kompliziertere Terminologie einer Übertragung «through the air» eingeführt. ↩︎