Stellungnahme zur Aufhebung aller Corona-Massnahmen

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Stellungnahme sieben zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Aufhebung aller Corona-Massnahmen ab dem 1. April 2022

Wir sind nicht überrascht
30. März 2022

Um es gleich vorwegzunehmen: Die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich seit langem für eine evidenzbasierte, nachhaltige und menschlichere Strategie der Pandemiebewältigung einsetzen, sind nicht überrascht, dass der Bundesrat trotz rekordhoher Viruszirkulation mit voraussehbaren Long-Covid-Folgen, trotz einer Flut von Krankheitsfällen und anhaltend hoher Spitalbelastung auch die restlichen Corona-Schutzmassnahmen aufgehoben hat.

Nein, nachdem der Bundesrat im Dezember darauf verzichtet hatte, die anrollende Omikron-Welle wenigstens mit kurzfristig wirksamen Schutzmassnahmen abzubremsen, nachdem die Bevölkerung im Januar die ersten Superinfektionswochen hinter sich gebracht hatte und der Bundesrat am 16. Februar trotz hoher Inzidenz weitgehende Lockerungen beschlossen und damit eine zweite Omikron-Welle zusätzlich befeuert hatte – nach all diesen Fehlentscheiden mit massiven Krankheitsfolgen und Personalausfällen konnte man nichts anderes erwarten.

Schliesslich hatte Bundesrat Berset der pandemüden Bevölkerung «Freudentage» versprochen und die «gute Situation» beim maskenbefreiten Bad in der Menge medienwirksam inszeniert. Das angeblich milde Omikron wurde von den Behörden sogar als «Glücksfall» bezeichnet. Die bundesrätliche Euphorie hat viele zur Annahme verleitet, eine Omikron-Infektion führe zur nachhaltigen Immunität. Doch die Bevölkerung ist zunehmends mit Reinfektionen konfrontiert. Während der schnell verfügbare Schutz durch Antikörper in wenigen Monaten schwindet, steigern hohe Inzidenzen die Mutationsrate. Dies begünstigt die Entstehung neuer Varianten, welche eine durch Impfung oder Infektion erworbene Immunität leichter umgehen können. Zudem entpuppt sich die Immunantwort nur aufgrund einer Omikron-Infektion als schwach und kurzlebig. «Herdenimmunität» mittels Durchseuchung ist eine Illusion.

Dessen ungeachtet werden die Risiken für Long Covid, Diabetes und kardiovaskuläre Folgen ausgeblendet. Man sieht sich nicht gerne als «schwach» und glaubt, es betreffe nur «die anderen» – die Senioren, die Ungeimpften, Untrainierten, Vorerkrankten oder Hospitalisierten. Wir verdrängen, dass es nicht um «die anderen» geht, denn Folgeerkrankungen nach Covid-19 können uns treffen, unsere Kinder, Eltern, Grosseltern, die Ungeimpten, Geimpften und Geboosterten.

Wir sind nach dieser Vorgeschichte nicht überrascht, dass der Bundesrat bei hoher Inzidenz  auch noch die Isolationspflicht abschafft und die schweizweite Maskenpflicht in Gesundheitseinrichtungen sowie im ÖV aufhebt. Nein, wir sind masslos enttäuscht, dass diese vor Wochen geplante «Normalisierung» trotz anhaltend hoher Viruszirkulation einfach durchgezogen wurde, ohne Rücksicht auf Betagte und Vulnerable. Und wir sind wütend und besorgt, dass es wieder vermehrt Heime gibt, in welchen man für einen adäquaten Schutz der betagten Angehörigen kämpfen muss.

Leider sendet der Bundesrat damit das falsche Signal an die Bevölkerung und an die Kantone. Statt  gegenseitige Rücksichtnahme zu fördern, proklamiert er erneut diese scheinheilige Eigenverantwortung, die sich in zwei Jahren Pandemie meist in Form von Egoismus manifestierte. Es ist beschämend, dass unser Land die Verhältnismässigkeit zur Maxime erklärt und bei Prävention und Infektionsschutz nicht einmal Mittelmässigkeit erreicht.

Warum schützt die Politik nicht unser überlastetes und nach zwei Jahren Pandemie ausgebranntes Gesundheitspersonal in den Spitälern? – Warum sorgen Bildungsdirektionen nicht für einen adäquaten Schutz von Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen am Arbeitsplatz?

Wir können nachvollziehen, wenn der Bundesrat Zero Covid als unrealistisch einschätzt. Aber muss man daraus folgern, dass hohe Inzidenzen unvermeidlich sind? – Warum wurde Low Covid (proaktive Niedriginzidenz-Strategie) mit einem intelligenten Massnahmenmix nie ernsthaft verfolgt?

Seit Mitte 2021 haben wir uns für einen rechtzeitigen, adäquaten Schutz der Kinder in den Schulen eingesetzt, denn Kinder haben nicht nur ein Recht auf Bildung, sondern auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wir haben davor gewarnt, dass ungenügend geschützte Schulen das Infektionsgeschehen als Corona-Drehscheiben befeuern werden.

Es ist unerhört, dass Politik und EKIF sich um den Gesundheitsschutz der Kinder foutiert haben und sich noch immer nicht darum kümmern: Dass Kinder kein rechtzeitiges Impfangebot erhielten, dass sie in den Schulen bei ungenügenden oder nicht existenten Schutzmassnahmen ungefragt durchseucht wurden und noch immer werden. Wir sind wütend, dass Bildungsdirektionen nach Aufhebung der Maskenpflicht und Abschaffung der repetitiven Tests suggerieren, sie würden Schülerinnen und Schüler bestmöglich schützen, obwohl sie seit Bekanntwerden der Aerosol-Problematik (ca. Herbst 2020) noch keinerlei Anstrengungen unternommen haben, die Übertragungsrisiken in Schulzimmern durch geeignete Luftfilter zu senken.

Ist es nicht zynisch, wenn der verantwortliche Bundesrat die temporäre Schulschliessung zu Beginn der Pandemie als sein schlimmstes Erlebnis bezeichnet, jedoch kein Wort über die Folgen der massiven, seit sechs Monaten andauernden Durchseuchung der Kinder verliert? – Für unser reiches Land ist es ein unglaubliches Armutszeugnis, wenn Bildungsdirektionen den Familien mit schulpflichtigen Kindern wider besseres Wissen keinen tauglichen Infektionsschutz bieten.

Leider stehen immer mehr Menschen, die wir persönlich kennen, aufgrund von Long Covid vor ungelösten gesundheitlichen Problemen, die ihre Lebensqualität stark und anhaltend beeinträchtigen.

Wo ist die Menschlichkeit, die Empathie gegenüber unserer eigenen Bevölkerung geblieben?

Wir erwarten, dass die Politik bereit ist, jetzt aus den (wiederholten) Fehlern zu lernen und Versäumtes nachzuholen. Wir erwarten nachvollziehbares, evidenzbasiertes Handeln! Wir bleiben dran!

 

ProtectTheKids
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Rui Biagini

Long Covid Schweiz
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Chantal Britt

Long Covid Kids Schweiz
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Claudia Schumm

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IG Risikogruppe Schweiz
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Markus Schenker

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