Beitrag von #ProtectTheKids
Veröffentlichung: 02.04.2025, 14:30
Letzte Aktualisierung: 03.04.2025, 20:30
Anhand zahlreicher Beispiele aus der Pandemieberichterstattung hat #ProtectTheKids aufgezeigt, dass sich namhafte Schweizer Medien seit der von Wirtschaftskreisen forcierten “Normalisierung” und dem überstürzten Abbau der Schutzmassnahmen im Herbst/Winter 2021/22 einen tendenziösen Verlautbarungsjournalismus geleistet haben, der zur Verbreitung und Verfestigung irreführender, verharmlosender und zum Teil auch falscher Narrative geführt hat.
Die Richtigstellung solcher Narrative ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass eine seriös-wissenschaftliche Aufarbeitung der Pandemie stattfinden und gelingen kann.
Nach fünf Jahren Corona drehen sich zahlreiche Pandemie-Rückblicke vor allem um eine oberflächliche Kritik an den damals getroffenen Massnahmen. Oft kombiniert mit retrospektiver Infektionsverharmlosung trägt dies dazu bei, dass die Bevölkerung die weiter bestehenden Risiken unterschätzt und frühere Verantwortliche ihre Versäumnisse und die Folgen der mehrfachen Durchseuchung leichter verdrängen können.
Long COVID, ME/CFS, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übersterblichkeit (Al-Aly et al., 2024):
Die Langzeit- und Spätfolgen wiederholter Infektionen sind gut dokumentiert, ihre Prävention wird jedoch aktiv verdrängt, Betroffene sind medizinisch unterversorgt und werden häufig stigmatisiert.
Eine seriöse gesellschaftliche und politische Aufarbeitung des Umgangs mit der Pandemie, insbesondere was die gesundheitlichen Risiken für Kinder und Jugendliche betrifft, steht noch aus.
Ziel einer seriösen Aufarbeitung sollte sein, die gesellschaftlichen Gräben zu überwinden, die durch Uneinigkeit über die tatsächliche Entwicklung der Gefährdungslage entstanden sind. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn Fehleinschätzungen, Fehlinformationen und falsche Narrative anhand gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse widerlegt werden.
Und nur dann, wenn die Medien diese Einordnung auch tatsächlich vornehmen.
Als Beitrag zur Wahrheitsfindung stellt #ProtectTheKids einen Review mehrerer SRF-Publikationen zur Verfügung. Darin werden Aussagen, die als tendenziös, irreführend, verharmlosend oder unzutreffend identifiziert wurden, anhand wissenschaftlicher Quellen richtiggestellt.
Der erste Teil dieses Reviews befasst sich mit zwei SRF-Publikationen vom 3. November 2024:
P1: SRF-Tagesschau, Beitrag «Corona: Schweizer Impf-Chef räumt Fehler ein» vom 03.11.2024
Weil sich P1 und P2 thematisch stark überschneiden, werden die Beiträge gemeinsam untersucht.
Zur Gliederung des Reviews:
- Die kritisierten Aussagen aus P1 und P2 und die zugehörigen Kritikpunkte wurden 7 Problembereichen zugeordnet und entsprechend gruppiert. Eine Aussage kann in mehrfacher Hinsicht problematisch sein und daher in mehr als einer Gruppe aufgeführt werden.
- Die transkribierten Aussagen sind nummeriert und werden mit der Notation ‘#n in P1’ bzw. ‘#n in P2’ identifiziert.
- Aussagen und zugehörige Kritikpunkte sind in «Twisties» angeordnet, bestehend aus einem Absatz, der die kritisierten Aussagen enthält, und einem hellgrau hinterlegten Absatz darunter, der die Kritikpunkte enthält und mit Hilfe des schwarzen Dreiecks aufgeklappt werden kann.
- Für jede Aussage wird in eckigen Klammern angegeben, ob diese als tendenziös, irreführend, verharmlosend oder unzutreffend (oder eine Kombination davon) eingestuft wurde.
1) Risiken von COVID-Infektionen und Effektivität von COVID-Impfungen
#2 in P1: “Die Impfungen gegen Covid-19 waren wichtig zur Bewältigung der Pandemie. Wir haben damit die Risikopersonen, nämlich die älteren und vulnerablen Patienten vor schweren Erkrankungen und Todesfällen schützen können, und wir konnten so die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten – jederzeit.” [ irreführend ]
- Die Risiken sind nicht auf schwere Erkrankung und Tod beschränkt und in allen Altersgruppen erhöht (Xie et al., 2022; Al-Aly et al., 2024).
- Kleinkinder ohne Impfschutz und immunologisch naive Babys haben ein hohes COVID-Hospitalisierungsrisiko (Wilde et al., 2024).
#5 in P1: “Ungeimpfte hatten Nachteile, durften beispielsweise nicht in Restaurants. Gingen die Einschränkungen damals zu weit?” [ tendenziöse Frage ]
#6 in P1: “Aus damaliger Sicht waren die Einschränkungen richtig. Retrospektiv hat das nicht so viel gebracht, weil zum Zeitpunkt, als die Risikopersonen sich haben impfen lassen können, die Ansteckung durch die Impfung nicht mehr ausreichend verhindert werden konnte.” [ unzutreffend / irreführend ]
Ungerechtfertigte retrospektive Kritik an Infektionsschutz und Impfung. Die Probleme lagen im Herbst/Winter 2021/22 nicht beim Impfstoff, der auch gegen Ansteckung mit Delta eine sehr gute Effektivität hatte (Tartof et al., 2021, Fig. 3), sondern bei der mangelhaften Umsetzung des Infektionsschutzes, auch unter dem Druck von Massnahmengegnern:
- Mehrheitlich lückenhafte, in verschiedenen Kantonen gänzlich fehlende Schutzkonzepte, insbesondere in den Schulen (kantonaler Flickenteppich),
- fehlendes Impfangebot für Kinder unter 12 Jahren und damit überdurchschnittlich starke Ausbreitung der Delta-Variante in den Schulen,
- irreführende Gültigkeitsdauer des COVID-Zertifikats von 365 Tagen,
- unklare Kommunikation zum Risiko von Durchbruchsinfektionen aufgrund von Waning,
- verspäteter Booster für früh geimpfte Altersgruppen,
- ungeeignete Impfkommunikation, die durch Verharmlosung der Risiken von COVID für jüngere Altersgruppen die Solidarität zwischen den Altersgruppen, die Impfbereitschaft der Bevölkerung und die Präventionsbemühungen im Allgemeinen untergrub.
#3 in P2: “Berger sagt aber auch, am Anfang der Pandemie seien die Massnahmen richtig gewesen. Sie hätten Todesfälle bei Risikopersonen verhindert und seien von der grossen Mehrheit der Bevölkerung getragen worden. (..)” [ teilweise irreführend ]
Zu Beginn der Pandemiephase 3 vom 28.09.2020 bis zum 14.02.2021 waren die Massnahmen völlig unzureichend, was zu einer sehr hohen zweiten Welle mit einer Übersterblichkeit von 9154 Todesfällen führte, davon 7652 mit laborbestätigtem COVID-19 (Riou et al., 2023).
#5 in P2: “Im zweiten Corona-Winter mit unterschiedlichen Massnahmen für Covid-Geimpfte und -Ungeimpfte sei diese Ungleichbehandlung «zunehmend schwierig» geworden für Menschen, welche ein geringes Risiko hatten, selbst schwer zu erkranken.” [ irreführend ]
Ungerechtfertigte retrospektive Kritik an Infektionsschutz und Impfung im zweiten Corona-Winter. Die Bestrebungen des BAG und der EKIF waren gerechtfertigt, eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen und das Risiko einer erneuten Überlastung der Spitäler im Herbst zu reduzieren. Das am 19.05.2021 vorgestellte Konzept des COVID-Zertifikats (Nachweis für geimpfte, genesene oder getestete Personen) zur Reduktion der Risiken bei Veranstaltungen war sinnvoll, auch wenn die unzureichende Aufklärung der Bevölkerung über Waning und Durchbruchsinfektionen die Umsetzung erschwerte:
Die auf dem Wildtyp basierenden Impfstoffe schützten bei der Delta-Variante in allen Altersgruppen mit einer hohen Effektivität um 90% gegen Hospitalisierung, d.h. gegen schwere Erkrankung (Tartof et al., 16.10.2021). Darüber hinaus lieferten sie anfänglich / nach einem Booster auch gegen symptomatische Erkrankung eine hohe Effektivität, zum Beispiel von 88 % im Falle von BNT162b2 / Comirnaty (Lopez Bernal et al., 21.07.2021; Tartof et al., 16.10.2021).
Zusammenfassend schützte die COVID-Impfung in allen Altersgruppen sehr gut vor schwerer Erkrankung mit der Delta-Variante und lieferte einen guten, wenn auch infolge Waning mit der Zeit abnehmenden Schutz vor symptomatischer Erkrankung, Infektion, hoher Virenlast (Puhach et al., 2022, Fig. 3), Weitergabe des Virus und Long COVID (Razzaghi et al., 2024). Der Schutz vor symptomatischer Erkrankung und Infektion konnte bei früh geimpften Personen mit einem Booster wiederhergestellt werden.
Die COVID-Impfung reduzierte die Infektionsrate unter geimpften Personen im Vergleich zu ungeimpften Personen derselben Altersgruppe deutlich und hatte eine insgesamt stark risikoreduzierende Wirkung bei Veranstaltungen in Innenräumen.
2) Verharmlosung der Infektionsfolgen bei Kindern und Jugendlichen
10 in P1: “Das Coronavirus ist viel ansteckender. Die Symptome sind sehr ähnlich, je nach Alter: Kinder erkranken kaum, Ältere erkranken viel mehr. Es ist ähnlich wie die Grippe – können Sie nicht unbedingt unterscheiden.”
[ “Kinder erkranken kaum” ist eine objektiv falsche Tatsachenbehauptung ;
“Es ist ähnlich wie die Grippe” ist irreführend ]
Dass COVID-19 auch Heranwachsende gefährdet, zeigen allein schon die medizinischen Studien, die auf die Risiken für Schwangerschaft, Neugeborene und Kinder überhaupt hinweisen, eindrucksvoll belegt durch pathophysiologische Erkenntnisse zu Organschäden und Long COVID bei Kindern, aber auch die Daten des britischen Office of National Statistics (ONS) zur Prävalenz von Long COVID und die Erfahrungsberichte betroffener Familien.
COVID ist eine respiratorisch übertragbare, aber multisystemische, Gefässe und Nerven schädigende, stark entzündliche Erkrankung und kann auch eine Dysregulation des Immunsystems auslösen (Al-Aly et al., 2024; Peluso et al., 2024).
SARS-CoV-2 kann sich über die Blutbahn in fast allen Organsystemen ausbreiten, Endothel- und Nervenzellen befallen, eine Entzündung der Blutgefässe und die Entstehung von Mikrothromben verursachen.
COVID ist keine reine Atemwegserkrankung (Oudit et al., 2023).
3) Solidarität in der Pandemiebekämpfung
#1 in P2: «Natürlich sollen diejenigen impfen können, die das möchten. Aber Empfehlungen, bei denen es vor allem darum geht, andere und nicht sich selbst zu schützen, sind schwierig», sagt Berger im Interview der «Sonntags-Zeitung». Berger sagt weiter, dass es deshalb während der Pandemie auch «Widerstände» gegeben habe. [ irreführend ]
Es ist unverantwortlich, solche spalterischen und irreführenden Aussagen über die Solidarität in der Pandemiebekämpfung ohne kritische Einordnung zu verbreiten. Gerade ein öffentlich-rechtliches Medium wie SRF sollte der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken und nicht noch Öl ins Feuer giessen, indem es solchen Aussagen eine unkritische Plattform bietet.
Durch die fehlende Einordnung entsteht der falsche Eindruck, die Widerstände gegen das solidarische Impfen seien in der Bevölkerung gewissermassen von alleine entstanden. Dabei war es der Befragte selbst, der im Jahr 2021 als Präsident der EKIF und Vorstandsmitglied von Pädiatrie Schweiz entgegen der damaligen Studienlage und unter Missachtung des Vorsorgeprinzips wiederholt die Folgen von COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen verharmlost, gegen die Solidarität zwischen den Altersgruppen polemisiert und die Kinderimpfung schlecht geredet hat:
- Im SRF-Beitrag «Corona-Massnahmen bei Kindern» (18.09.2021) argumentierte Pädiatrie Schweiz gegen Infektionsschutz und plädierte dafür, Tests, Masken und Quarantäne «aufs unerlässliche Minimum zu beschränken». Die Polemik richtete sich auch gegen die Solidarität zwischen den Altersgruppen: «Es fragt sich einfach, welche Massnahmen man der Gesamtheit auferlegen will, um die ganz wenigen zu schützen, die zusätzlich geschützt werden müssen.»
- Im Point de Presse vom 16.11.2021 wurde der damalige EKIF-Präsident darauf angesprochen, dass er die Impfung der noch ungeimpften Bevölkerungsgruppen für die Bekämpfung der Pandemie als zentral bezeichnet hatte, dass jedoch dazu auch die Kinder unter 12 Jahren gehörten. Zudem wurde festgestellt, dass die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen überdurchschnittlich anstiegen – offensichtlich ein vernachlässigter Aspekt der Eindämmungsstrategie, speziell in den Schulen.
Auf die Frage nach der Kinderimpfung antwortete er grob verharmlosend, die Kinder hätten eine «ganz geringe Krankheitslast». Es gebe sehr viele Infektionen, aber fast keine Hospitalisationen. Mit keinem Wort erwähnte er die schon damals bekannten multisystemischen, Blutgefässe und Nerven schädigenden Eigenschaften von SARS-CoV-2, die Fälle von Long COVID bei Kindern, die auffällige Zunahme von Diabetes Typ-1 (Unsworth et al., 2020) und die Indikatoren für eine thrombotische Mikroangiopathie (Diorio et al., 2020) bei Kindern, auch nicht die schweren Komplikationen bei PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome). Die Infektion laufe bei Kindern «entweder asymptomatisch oder mild» ab.
Zu den Risiken der Kinderimpfung hätten sie noch fast keine Daten. Mit dieser Darstellung suggerierte er ein ungenügendes Nutzen-Risiko-Verhältnis bei der Kinderimpfung – ein ethisch höchst problematisches Vorgehen, wenn man das Risiko von Long COVID und versteckten Organschäden sowie die epidemiologischen Risiken hoher Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen verschweigt. Bergers Polemik gipfelte in der rhetorischen Frage, ob man jetzt die Kinder impfen solle, um die Erwachsenen zu schützen – das sei sehr altruistisch. - Im SRF Club vom 23.11.2021 behauptete Berger erneut: «D Chind (mit Covid) mached de Chind nüt (..). Das Covid isch für die Chind nöd gfährlich.»
- Die COVID-Impfung für Kinder unter 12 Jahren wurde in den USA aufgrund ihres vorteilhaften Nutzen-Risiko-Verhältnisses am 29.10.2021 zugelassen und am 05.11.2021 empfohlen, doch der damalige EKIF-Präsident behauptete noch im Dezember 2021 in einem Interview des Tagesanzeigers (08.12.2021), das Risiko einer Erkrankung sei mit dem Risiko von Impfnebenwirkungen vergleichbar. Darüber hinaus bezeichnete er die Kinderimpfung als «experimentell», eine Aussage, die geeignet war, in der Bevölkerung Impfskepsis auszulösen oder zu verstärken.
4) Framing von Schutzmassnahmen
Framing von Schutzmassnahmen als (unnötige) “Einschränkungen” und von Corona-Tests als “sehr begrenzt sinnvoll für Laien”.
#5 in P1 (SRF): “Ungeimpfte hatten Nachteile, durften beispielsweise nicht in Restaurants. Gingen die Einschränkungen damals zu weit?” [ tendenziöse Frage ]
Die erwähnte Massnahme diente u.a. dem Schutz ungeimpfter Personen: Diese hatten gegenüber geimpften Personen derselben Altersgruppe ein deutlich höheres Risiko, bei einer Infektion schwer zu erkranken. Der Bund gewichtete den Schutz ungeimpfter Personen vor schwerer Erkrankung höher als ihren Anspruch, in Restaurants zu gehen und dabei in Kauf zu nehmen, nicht nur sich selber, sondern auch andere zu gefährden. Die Einschränkung des Restaurantbesuchs erfolgte in Anwendung des Epidemiengesetzes und war aufgrund der Risikosituation verhältnismässig.
#3 in P2 (SRF zitiert Berger): “Es sei «sicher richtig» gewesen, die Einschränkungen schnell zu beenden. «Da hat Alain Berset zu Recht zügig vorwärtsgemacht im Vergleich zu den Nachbarländern.»” [ irreführend ]
#5 in P2 (SRF): “Im zweiten Corona-Winter mit unterschiedlichen Massnahmen für Covid-Geimpfte und -Ungeimpfte sei diese Ungleichbehandlung «zunehmend schwierig» geworden für Menschen, welche ein geringes Risiko hatten, selbst schwer zu erkranken.” [ irreführend ]
Lückenhafte und fehlende SCHUTZkonzepte für Kinder und Jugendliche während der Delta-Welle im Herbst 2021 und die überstürzte Aufhebung der restlichen SCHUTZmassnahmen mitten in der ersten Omikron-Welle führte zu einer mehrfachen Durchseuchung der Bevölkerung mit zahlreichen Fällen von Long COVID, die vermeidbar gewesen wären. Besonders betroffen waren schulpflichtige Kinder und Jugendliche, grösstenteils ohne Impfschutz und ohne Schutz vor Übertragung, aber auch ihre Familien und die Lehrkräfte.
#11 in P1: “Sind Tests auf Corona überhaupt noch sinnvoll?” [ tendenziöse Frage ]
#12 in P1: “Tests auf Corona sind für Fachpersonen sinnvoll, für Laien sehr begrenzt, ausser es ist eine ausgesprochene Risikoperson.” [ irreführend ]
- Tests auf Corona sind sinnvoll, weil Corona mehr und länger ansteckend ist als eine «Erkältung». Freunde der Prävention testen sich nach wie vor bei Symptomen, um andere nicht zu gefährden.
- Empfehlung der CDC zum Testen auf respiratorisch übertragbare Viren: “Ein Test kann Ihnen bei der Entscheidung helfen, was als Nächstes zu tun ist, z.B. sich behandeln zu lassen (Antivirals etc.), um das Risiko einer schweren Erkrankung zu verringern, und Massnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer Übertragung des Virus auf andere zu senken.”
- Es ist bekannt, dass die fehlende Möglichkeit, sich nach einer COVID-Infektion zu schonen, ein Risikofaktor für Long COVID ist (Greenhalgh et al., 2024).
- Pluslife-Testgerät für den Heimgebrauch: Mit PCR-Tests vergleichbare Empfindlichkeit, Resultat in ca. 25 Minuten verfügbar, Kosten ca. CHF 13 pro Testkarte für SARS-CoV-2.
5) Unkritische Wiedergabe von Bergers Bilanz zur Pandemie-Bewältigung
Ab 0:14 in P1 (Tagesschau-Intro): “Kritische Aufarbeitung. Der frühere Impfchef Christoph Berger blickt auf die Pandemie zurück und räumt auch Fehler vor allem im Umgang mit Ungeimpften ein.” [ irreführend, tendenziös ]
Ein Videoausschnitt zeigt unter anderem eine Impf-Fertigspritze und eine Zertifikatskontrolle. Darunter steht in grossen Lettern «Kritische Aufarbeitung».
Die Moderation unter dem Titel «Kritische Aufarbeitung» ist irreführend und tendenziös im Sinne der Impf- und Massnahmengegner. Zusammen mit den im Hintergrund gezeigten Symbolbildern für die COVID-Impfung und die Zertifikatskontrolle erweckt der Tagesschau-Sprecher ganz klar den Eindruck, hier gehe es um eine seriöse Aufarbeitung – um ein offizielles Eingeständnis von Fehlern des Bundes im Umgang mit Ungeimpften und um offizielle Kritik an der Zertifikatskontrolle und der 2G-Regel.
Ab 1:21 in P1 (Teilbeitrag mit Titel «Corona: Schweizer Impf-Chef räumt Fehler ein»):
«Eine ernsthafte, eingehende und objektive Aufarbeitung des Vorgehens des Bundes während der Corona-Pandemie – Kritiker sagen, die hat weitgehend gefehlt, abgesehen vom revidierten Epidemiengesetz oder einem aktualisierten Pandemieplan. Da klingt das Interview des langjährigen Schweizer Impfchefs Christoph Berger in der Sonntagszeitung schon mehr nach Aufarbeitung der damaligen Krisenpolitik. Auch gegenüber der Tagesschau wirft der Mediziner einen kritischen Blick zurück.» [ irreführend, tendenziös ]
Das Hintergrundbild zeigt mit einem Informationsblatt «bei uns gilt im Innenbereich die 2G-Regel – Zutritt nur noch für geimpfte und genesene Gäste», worauf sich der kritische Blick richtet.
Die Moderation erweckt auch hier ganz klar den Eindruck, es gehe um eine seriöse Aufarbeitung – um ein offizielles Eingeständnis von Fehlern des Bundes im Umgang mit Ungeimpften und um offizielle Kritik an der Zertifikatskontrolle und der 2G-Regel:
Indem der Sprecher «eine ernsthafte, eingehende und objektive Aufarbeitung des Vorgehens des Bundes während der Corona-Pandemie» als bisher fehlend darstellt und dem langjährigen Impfchef Kredit gibt, mit seinem Interview in der Sonntagszeitung vom 03.11.2024 zu einer solchen Aufarbeitung beizutragen («klingt … schon mehr nach Aufarbeitung der damaligen Krisenpolitik»), suggeriert er, die Aussagen in der Sonntagszeitung und gegenüber der Tagesschau würden genau diese in der Aufarbeitung bisher vermissten Qualitätsmerkmale erfüllen.
Auch wenn in einem dreiminütigen Tagesschau-Beitrag von einer «Aufarbeitung des Vorgehens des Bundes» keine Rede sein kann: Was haften bleibt, ist der Eindruck einer seriösen und objektiven, also faktenbasierten Aufarbeitung von «Fehlern vor allem im Umgang mit Ungeimpften».
#2 in P1: “Die Impfungen gegen Covid-19 waren wichtig zur Bewältigung der Pandemie. Wir haben damit die Risikopersonen, nämlich die älteren und vulnerablen Patienten vor schweren Erkrankungen und Todesfällen schützen können, und wir konnten so die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten – jederzeit.” [ irreführend ]
Es fehlt eine Einordnung von SRF mit Blick auf die problematischen Aspekten der forcierten “Normalisierung”, vor denen Wissenschaftler, Präventionsbefürworterinnen und Patientenorganisationen seit 2021 warnen:
- Framen von Schutzmassnahmen als (unnötige) Einschränkungen;
- Vernachlässigung von Schutzmassnahmen zur Reduktion des Übertragungsrisikos in Schweizer Schulen (Keiser et al., 2021);
- Fehlender Infektionsschutz und ungebremste Infektionswellen, die seit der Aufgabe der Schweizer Eindämmungsstrategie Anfang 2022 Jahr für Jahr mehrmals durch die Bevölkerung rauschen;
- Unvorhersehbarkeit der epidemiologischen Entwicklung, beschleunigte evolutionäre Anpassung von SARS-CoV-2, Spätfolgen durch Organschäden, erhöhte Übersterblichkeit, zunehmende Verbreitung von Long COVID und hohe Belastung des Gesundheitssystems (Greenhalgh et al., 2022).
6) Darstellung von SRF, Berger habe versucht, das Virus zu bekämpfen
#1 in P1 (SRF über Berger): «Und er versuchte, das Virus zu bekämpfen» [ irreführend ]
Die Darstellung von SRF suggeriert, Berger habe massgeblich zur Eindämmung des Virus beigetragen. Doch wie die Quellenangaben unter 3) zeigen, hat der Interviewte in den Jahren 2021 und 2022 keine Gelegenheit verpasst, gegen Schutzmassnahmen für Kinder und Jugendliche zu polemisieren und die Vorstellung zu verbreiten, COVID-Infektionen bei Kindern und generell in jüngeren Altersgruppen, insbesondere Infektionen mit der angeblich milden Omikron-Variante, seien gesundheitlich neutrale, unbedenkliche oder gar «nützliche» Ereignisse (vgl. Interview mit der NZZ, 02.12.2023).
SRF blendet diese problematischen Aspekte in der Berichterstattung aus und erzeugt dadurch ein verzerrtes Bild von Bergers Rolle.
7) False Balance bei der Bewertung der COVID-Impfung
#3 in P1 (SRF): “Es gab ja auch Impfschäden. Waren die bei Covid im Rahmen ihrer Erwartungen?” [ tendenziöse Überleitung ]
#4 in P1 (Berger): “Die Impfschäden, die gibt es, und die sind im Rahmen der Erwartungen. Wir haben sehr viel geimpft – es gibt Impfschäden und auch Nebenwirkungen, und beides gibt es bei jeder medizinischen Intervention, gibt es auch Schädigungen und gibt es auch Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen waren viel häufiger als die Impfschäden.” [ irreführend ]
Viermal nennt Berger Impfschäden, dreimal Nebenwirkungen. Was bei einem grossen Teil der Zuhörenden hängen bleibt: Es gibt viele Impfschäden, und es gibt auch Nebenwirkungen, die offenbar viel häufiger sind.
#4 in P2 (SRF setzt Überschrift): “Personen mit Impfkomplikationen ernst nehmen”
#7 in P2 (SRF über Bergers Aussagen zu Komplikationen nach Impfungen): Berger ruft im Interview auch dazu auf, Personen mit Komplikationen nach Impfungen ernst zu nehmen. Entsprechende Meldungen müssten angeschaut und tatsächliche Impfschäden anerkannt werden. Abklärungen zu solchen Meldungen seien beim Bund im Gange. «Bis diese abgeschlossen sind, müssen Betroffene leider viel Geduld haben.» Schwere Nebenwirkungen nach einer Impfung seien aber «sehr selten». [ einseitig ]
- Komplikationen sollten nach Infektionen wie auch nach Impfungen ernst genommen werden.
- Die kritisierten Aussagen legen einen unverhältnismässigen Fokus auf «Impfschäden und Nebenwirkungen». Studien haben gezeigt, dass unerwünschte Ereignisse (engl. adverse events) im Zusammenhang mit Impfungen, die vor einer Erstinfektion mit SARS-CoV-2 erfolgen, viel seltener sind als Komplikationen einer Infektion oder Reinfektion mit SARS-CoV-2, wobei die meist milden Nebenwirkungen der Impfung im Allgemeinen in 2–3 Tagen abklingen, während schwerwiegende Impfnebenwirkungen wie Myokarditis oder Perikarditis extrem selten sind.
Unerwähnt bleiben jedoch die hohe Krankheitslast durch (Re-)Infektionen, Long/Post COVID oder die schwere Form ME/CFS (Bowe et al., 2022; Greenhalgh et al., 2024; Al-Aly et al., 2024) und die Risiken von Organschäden (Ewing et al., 2024), was zur Verharmlosung von (Re-)Infektionen als gesundheitlich neutrale oder unbedenkliche Ereignisse beiträgt. Unerwähnt bleibt auch die Reduktion des Risikos von Long COVID durch die Impfung (Razzaghi et al., 2024).
Gleichzeitig wird die (sehr gute) Effektivität der ersten COVID-Impfstoffe gegen Ansteckung, hohe Virenlast und Weitergabe der Viren während der Delta-Periode (Herbst 2021) schlecht geredet. Das eigentliche Problem, nämlich die zu späte Booster-Empfehlung für Seniorinnen und Senioren, wird jedoch verschwiegen. Darüber hinaus wird der Nutzen der Impfung für Kinder und jüngere Altersgruppen dadurch in Frage gestellt, dass Infektionsrisiken nur mit älteren und vulnerablen Personen (besonders gefährdete Personen, BGP) in Verbindung gebracht werden. - Die ausführliche Erörterung seltener Impfschäden mit Unterstützung von SRF, die irreführenden Aussagen oder fehlenden Hinweise zu den Schutzwirkungen der COVID-Impfung und das gleichzeitige Verschweigen der hohen Krankheitslast durch Reinfektionen, der erheblichen Risiken, an Long/Post COVID oder der schweren Form ME/CFS zu erkranken, sowie das Nichterwähnen der Risiken von Spätfolgen durch Organschäden führen zu einer False Balance (falsche Ausgewogenheit) bei der Bewertung der COVID-Impfung. Diese irreführende Gewichtung wesentlicher Aspekte der Nutzen-Risiko-Abwägung ist geeignet, insbesondere bei jüngeren Altersgruppen Impfskepsis hervorzurufen oder zu verstärken. Dies gilt sowohl für die Auffrischimpfung als auch für den Schutz von Kleinkindern, die noch keinen Kontakt mit SARS-CoV-2 hatten.