Mobile Luftreiniger für Schulen und Betreuungseinrichtungen

Beitrag von #ProtectTheKids, v1.21 (22.09.2022), aktualisiert am 4.10.2022.

Copyright 2022, #ProtectTheKids (Schweiz).

Diese Seite richtet sich an Schulpräsidien und Schulverwaltungsleitende von Schulgemeinden und Schulkreisen, Entscheidungsträger/-innen Bildung und Gesundheit in Gemeinden sowie an Stellen im Bereich Gebäudetechnik/Raumklima.

1. Dimensionierung, Beschaffungskriterien und praktische Überlegungen für mobile Luftreiniger in Schulräumen

Aerosole werden sowohl durch Ventilation als auch durch HEPA-Filtration mit mobilen Luftreinigern oder Filtern eines entsprechend ausgerüsteten Raumklimasystems aus der Raumluft entfernt. Die Volumenströme von Ventilation und Filtration, je in Kubikmetern pro Stunde oder Luftwechseln pro Stunde (Luftwechselrate oder Air Change Rate, ACR) gemessen, sind also additiv bezüglich ihrer Aerosol-reduzierenden Wirkung. Bei Schulräumen in Standardgrösse (Fläche 72 m2, Volumen ca. 200 m3) mit 25 Jugendlichen wird für eine wirksame Entfernung und Verdünnung  respiratorischer Aerosole durch Ventilation und Filtration gesamthaft eine Aerosol-reduzierende Luftwechselrate (Air Change Rate, ACRaerosol) von 5 bis 6 Luftwechseln pro Stunde empfohlen.

Die wichtigste Kenngrösse eines mobilen Luftreinigers ist dessen (maximale) Clean Air Delivery Rate (CADR oder CADRmax) in Kubikmetern pro Stunde, d. h. der maximale Volumenstrom, den der Luftreiniger bei voller Ventilatorgeschwindigkeit transportieren kann. Bei der Dimensionierung ist jedoch zu beachten, dass man im Normalbetrieb nicht von der (maximalen) CADR ausgehen sollte, sondern von CADRnormal, d. h. der CADR bei einer mittleren Ventilatorgeschwindigkeit. Wenn wir von einem Normalbetrieb bei

CADRnormal = 0.5 × CADRmax

ausgehen, dann ergibt sich mit N Geräten eine

CADRtotal = N × CADRnormal .

Mehrere Gründe sprechen bei einem dicht belegten Raum dafür, N so zu wählen, dass die Luftreiniger bereits bei mittlerer Ventilatorgeschwindigkeit die gewünschte CADRtotal erreichen:

  1. Geräuschpegel: Aktuell verfügbare Luftreiniger sind auf niedrigen/mittleren Geschwindigkeitsstufen leise, bei maximaler Geschwindigkeit jedoch laut.
  2. Positionierung #1: Luftreiniger sollten für eine gleichmässige Luftqualität gut verteilt in der Nähe der Schülerpulte sowie in der Nähe der Wandtafel positioniert werden, mit einem Mindestabstand von ca. 1 m zu Personen. Eine grössere Zahl von Luftreinigern ermöglicht eine gleichmässigere Verteilung. Die Positionierung in der Nähe der Personen gewährleistet, dass der nach oben gerichtete, gereinigte Luftstrom die natürlich nach oben gerichtete Luftströmung unterstützt, welche in der Nähe von Personen aufgrund ihrer Körperwärme entsteht; sie unterstützt somit den Transport verbrauchter Luft nach oben gemäss dem Prinzip der Verdrängungslüftung. Idealerweise wird die verbrauchte Luft im oberen Bereich des Raums effizient entfernt oder von Aerosolen befreit. 
    • In der Praxis fehlt jedoch häufig ein effizientes Abluftsystem, so dass die verbrauchte Luft bevorzugt den kühlen Wänden entlang wieder zu Boden sinkt. 
    • Würde man Luftreiniger entlang der Wände aufstellen, könnte dies Turbulenzen verursachen, welche verbrauchte Luft horizontal in den Raum zurückbefördern.
  3. Positionierung #2: Die nach oben abgegebene, gereinigte Luft darf nicht durch Hindernisse wie zum Beispiel eine Tischplatte abgelenkt werden, weil dadurch Kurzschlussströme entstehen würden, welche die Filtereffizienz reduzieren.
  4. Turbulenzen: Hohe Ventilatorgeschwindigkeiten neigen dazu, Turbulenzen in der Luftströmung zu verursachen. Solche Turbulenzen könnten zu einer unerwünschten horizontalen Ausbreitung von Aerosolen führen, werden jedoch reduziert durch eine tiefere Ventilatorgeschwindigkeit im Normalbetrieb.
  5. Turbo-Modus: In besonderen Situationen, wenn der Geräuschpegel keine Rolle spielt, ist es nützlich, über zusätzliche Filterleistung zu verfügen. So könnte man bei erhöhtem Infektionsrisiko die Luftreiniger während der Pausen auf höchster Stufe  laufen lassen.

Ventilation wie auch Filtration führt durch Vermischung mit der restlichen Raumluft zu einer Verdünnung der Aerosole. Die CO2-Konzentration kann nur durch Ventilation reduziert werden, wobei Raumluft durch Aussenluft ersetzt wird. Diese Tatsache soll jedoch nicht dazu verleiten, ausschliesslich auf Ventilation bzw. «Lüften» zu setzen, weil die Luftwechselraten von Ventilation und Filtration sich zu ACRaerosol addieren, d. h. der Anzahl Luftwechsel pro Stunde, welche zur Reduktion der Aerosole beitragen.

Dies gilt insbesondere für Schulhäuser nach Minergie-Standard sowie allgemein für Schulräume mit Lüftungsanlagen, in welchen zu Gunsten der Energieeffizienz mit Umluftanteilen gearbeitet wird. Die Erfahrungen mit zahlreichen SARS-CoV-2 Superspreading-Ereignissen zeigen, dass rezirkulierte Raumluftanteile durch HEPA-Filtration gereinigt werden müssen, sei es mit mobilen Luftreinigern oder durch Nachrüsten der Lüftungsanlage, wie die Expertengruppe für pandemiegerechte Gebäude in ihrer Strategie festhält. Bei sämtlichen Raumluftanlagen, welche nicht über eine HEPA-Filterung verfügen, muss unbedingt mit 100 % Frischluft und 0 % Umluft gearbeitet werden.

Beispiel: Klassenzimmer mit einem Volumen V = 200 m3 und Ventilation durch «Dauerlüften mit Kippfenstern». Messungen mit 25 SchülerInnen bei einer Aussentemperatur von 4 Grad Celsius ergeben, dass die CO2-Konzentration 1200 ppm nicht übersteigt. Daraus lässt sich ermitteln, dass ACRventilation ≈ 2.7/h. Für eine Aerosol-reduzierende Luftwechselrate ACRaerosol = 6/h wird somit zusätzlich eine

ACRfiltration ≥ ACRaerosol – ACRventilation = 3.3/h

benötigt. Somit müssen die Luftreiniger (N Apparate) im Normalbetrieb (total) mindestens eine

CADRtotal = V × ACRfiltration = 660 m3/h

liefern, d. h. pro Gerät eine

CADRnormal = CADRtotal / N.


Preiswerte mobile Luftreiniger sind bei Xiaomi, Philips, Dyson und weiteren Herstellern erhältlich. Für innovative und lehrreiche Mensch-Technik-Umwelt Projekte eignen sich auch Selbstbausätze.

Ein wichtiges Kriterium ist auch die Benutzerfreundlichkeit und daher die Steuerung und Automatisierung der Geräte über WLAN:

Die Apps «Xiaomi Home» von Xiaomi und «Air+» (früher «Clean Home+») von Philips haben eine Wochenplan-Funktion, mit welcher die Ein- und Ausschaltzeiten für jeden Wochentag flexibel eingestellt werden können. Für eine möglichst effiziente Nutzung empfiehlt es sich, den Wochenplan so einzustellen, dass die Geräte bei Schulbeginn automatisch starten und ca. eine Stunde nach Schulschluss abschalten. Die Apps erinnern auch daran, wann es Zeit ist, Filter zu ersetzen. Ausserdem haben sie eine «Parental Control»-Funktion, mit welcher verhindert werden kann, dass kleine Spassvögel die Geräte umprogrammieren. Die Geräte können von den verantwortlichen Personen via Smartphone und WLAN bedient werden.

Mitte Juli 2022 hat sich die Verfügbarkeit der Xiaomi-Produkte verbessert. Bis Anfang September 2022 sind die Preise mehrerer Modelle um ca. 10 % gefallen, doch bei höherer Nachfrage im Herbst können sich Verfügbarkeit und Preise rasch ändern.

Es ist zu beachten, dass die CADR von mobilen Luftreinigern nicht ausreicht für grosse Eingangshallen, Turn- und Schwimmhallen sowie lange Flure. Für die genannten Räume empfehlen wir häufige Lüftung oder (besser) eine ausreichende mechanische Ventilation, wenn möglich in Kombination mit Wärmerückgewinnung, sowie die Ausrüstung vorhandener oder geplanter Raumklimasysteme mit HEPA-Filtern.

Disclaimer: #ProtectTheKids steht in keiner geschäftlichen Beziehung zu Herstellern von Luftreinigern und übernimmt auch keine Garantie für die Vollständigkeit und Richtigkeit der von ihnen bereitgestellten Produktinformationen.

2. Produktbeispiele im Vergleich und Budgetierungsvarianten

Beispiel 1 (Klassenzimmer 70 m2, 200 m3): 4 x Philips AC2889/10 à 274 CHF:

  • CADR: bis zu 333 m3/h
  • Filter:
    • Filtertyp: Philips HEPA-Filter; P/N (Hersteller): FY2422/30
    • Filtertyp: Philips Aktivkohle-Filter; P/N (Hersteller): FY2420/30
  • Filterleistung für 4 Geräte:
    • ACRfiltration = 3.3 Luftwechsel / h bei mittlerer Ventilatorgeschwindigkeit
    • ACRfiltration =  6.6 Luftwechsel / h bei maximaler Ventilatorgeschwindigkeit
  • Servicearbeiten und Materialkosten für Unterhalt:
    • Luftqualitätssensor reinigen: alle 2 Monate
    • Vorfilter reinigen: alle 2 Monate
    • HEPA-Filter FY2422/30 ersetzen: nach ca. 24 Monaten
      •  49.90 CHF; ca. 25 CHF pro Jahr
    • Aktivkohle-Filter FY2420/30 ersetzen: nach ca. 12 Monaten
      •  36 CHF; ca. 36 CHF pro Jahr
    • Total Kosten für Unterhalt (4 Geräte): ca. 244 CHF pro Jahr
  • Schalldruckpegel (1 Gerät): 19 bis 55 dB
  • Gewichtete Lautstärke (1 Gerät): 32 bis 64 dB(A)
  • Steuerung mittels App (WLAN): ja, auch mehrere Geräte
  • Ein- und Ausschalten mit 7-Tage-Zeitplan: ja
  • Energieverbrauch (1 Gerät): 2 W (Standby) bis 56 W (max.)
  • Lebensdauer: ca. 8 Jahre
  • Preisangaben: 29.8.2022

Beispiel 2 (Klassenzimmer 70 m2, 200 m3): 2 x Philips AC4236/10 (Series 4000i) à 550 CHF:

  • CADR: bis zu 500 m3/h
  • Filter:
    • Filtertyp: Philips NanoProtect Kombifilter (HEPA-Filter, Aktivkohle);
      P/N (Hersteller): FY4440/30
  • Filterleistung für 2 Geräte:
    • ACRfiltration = 2.5 Luftwechsel / h bei mittlerer Ventilatorgeschwindigkeit
    • ACRfiltration = 5.0 Luftwechsel / h bei maximaler Ventilatorgeschwindigkeit
  • Servicearbeiten und Materialkosten für Unterhalt:
    • Partikelsensor reinigen: alle 2 Monate
    • Filteroberfläche reinigen: alle 2 Monate
    • Kombifilter FY4440/30 ersetzen: nach ca. 24 Monaten
      • 90.70 CHF; ca. 45 CHF pro Jahr
    • Total Kosten für Unterhalt (2 Geräte): ca. 91 CHF pro Jahr
  • Schalldruckpegel (1 Gerät): 18 dB (Ruhemodus) bis 57 dB (Turbomodus)
  • Gewichtete Lautstärke: n.a.
  • Steuerung mittels App (WLAN): ja, auch mehrere Geräte
  • Ein- und Ausschalten mit 7-Tage-Zeitplan: ja
  • Energieverbrauch (1 Gerät): 2 W (Standby) bis 60 W (max.)
  • Lebensdauer: ca. 8 Jahre
  • Preisangaben: 29.8.2022

Beispiel 3 (Klassenzimmer 70 m2, 200 m3): 3 x Xiaomi MI Air Purifier Pro H à 260 CHF:

  • CADR: bis zu 600 m3/h
  • Filter: Xiaomi HEPA-Filter für “Air Purifier Pro H”
    • Filtertyp: 3-stufig: Vorfilter, HEPA-Filter Klasse H13, Aktivkohle
    • P/N (Hersteller): XM200040-1
  • Filterleistung für 3 Geräte:
    • ACRfiltration = 4.5 Luftwechsel / h bei mittlerer Ventilatorgeschwindigkeit
    • ACRfiltration = 9.0 Luftwechsel / h bei maximaler Ventilatorgeschwindigkeit
  • Servicearbeiten und Materialkosten für Unterhalt:
    • Partikelsensor reinigen: alle 2 Monate
    • Filteroberfläche reinigen: alle 2 Monate
    • Xiaomi HEPA Filter für “Air Purifier Pro H” (Nutzungsdauer ca. 6 Monate):
      • 51 CHF; ca. 102 CHF pro Jahr
    • Total Kosten für Unterhalt (3 Geräte): ca. 306 CHF pro Jahr
  • Schalldruckpegel: n.a.
  • Gewichtete Lautstärke (1 Gerät): 33.7 bis 64 dB(A)
  • Steuerung mittels App (WLAN): ja
  • Ein- und Ausschalten mit 7-Tage-Zeitplan: ja
  • Energieverbrauch (1 Gerät): bis zu 70 W (max.)
  • Energieverbrauch pro Gerät gemessen (Mittelwert von 3 Geräten):
    • Max. Geschwindigkeit: 64.5 W
    • Hohe Geschwindigkeit (3): 32.2 W
    • Mittlere Geschwindigkeit (2): 18.8 W
    • Niedrige Geschwindigkeit (1): 10.3 W
    • Schlafmodus:   3.5 W
    • Standby:   1.0 W
  • Lebensdauer: ca. 8 Jahre
  • Preisangaben: 28.8.2022

Beispiel 4 (Klassenzimmer 70 m2, 200 m3): 4 x Xiaomi MI Air Purifier 3 H à 139 CHF:

  • CADR: bis zu 380 m3/h
  • Filter: Xiaomi HEPA-Filter für “Air Purifier 3 H”
    • Filtertyp: 3-stufig: Vorfilter, HEPA-Filter Klasse H13, Aktivkohle
    • P/N (Hersteller): M8R-FLH
  • Filterleistung für 4 Geräte:
    • ACRfiltration = 3.8 Luftwechsel / h bei mittlerer Ventilatorgeschwindigkeit
    • ACRfiltration = 7.6 Luftwechsel / h bei maximaler Ventilatorgeschwindigkeit
  • Servicearbeiten und Materialkosten für Unterhalt:
    • Partikelsensor reinigen: alle 2 Monate
    • Filteroberfläche reinigen: alle 2 Monate
    • Xiaomi HEPA-Filter für “Air Purifier 3 H” (Nutzungsdauer ca. 6 Monate):
      • 43 CHF; ca. 86 CHF pro Jahr
    • Total Kosten für Unterhalt (4 Geräte): ca. 344 CHF pro Jahr
  • Schalldruckpegel: n.a.
  • Gewichtete Lautstärke (1 Gerät): 33.7 bis 64 dB(A)
  • Steuerung mittels App (WLAN): ja
  • Ein- und Ausschalten mit 7-Tage-Zeitplan: ja
  • Energieverbrauch (1 Gerät): bis zu 38 W (max.)
  • Lebensdauer: ca. 8 Jahre
  • Preisangaben: 28.8.2022

Budgetierung mit den Beispielen 1 bis 4

Beispiele



1
Anschaffung

4 Geräte

CHF
1
Wartung

4 Geräte

CHF
2
Anschaffung

2 Geräte

CHF
2
Wartung

2 Geräte
CHF
3
Anschaffung

3 Geräte

CHF
3
Wartung

3 Geräte

CHF
4
Anschaffung

4 Geräte
CHF
4
Wartung

4 Geräte

CHF
1 Schulraum1’0962441’10091780306556344
5 Schulräume
z. B.
1 Kindergarten
3 Klassenzimmer
5’480


 
1’220


 
5’500


 
455


 
3’900


 
1’530


 
2’780


 
1’720


 
10 Schulräume
z. B.
2 Kindergärten
3 Klassenzimmer
3 Hort-Räume
10’960



 
2’440



 
11’000



 
910



 
7’800



 
3’060



 
5’560



 
3’440



 
20 Schulräume
z. B.
4 Kindergärten
8 Klassenzimmer
8 Hort-Räume
21’920



 
4’880



 
22’000



 
1’820



 
15’600



 
6’120



 
11’120



 
6’880



 
50 Schulräume
z. B.
10 Kindergärten
20 Klassenzimmer
10 Hort-Räume
54’800



 
12’200



 
55’000



 
4’550



 
39’000



 
15’300



 
27’800



 
17’200



 
Tab. 1: Budgetierung mit den Beispielen 1 bis 4. Die Kosten für Wartung sind pro Jahr ausgewiesen.
Annahmen: 1 Schulraum = 200 m3; 1 Kindergarten = 2 Klassenzimmer; 1 Hortraum = 1 Klassenzimmer

Umsetzung

Sollten die finanziellen Mittel nur für eine Teillösung reichen, ist es sinnvoll, Luftreiniger prioritär in Kindergärten und unteren Primarklassen einzusetzen (erfahrungsgemäss ist es schwieriger, den Schutz mit Masken in jüngeren Klassen einzuführen) und speziell in Schulräumen mit ungenügender Belüftung, in welchen die höchsten CO2-Konzentrationen gemessen werden.

Nach einer Sanierung dieser Räume mit einer verbesserter Lüftung (z. B. mit CO2-gesteuerten Abluftventilatoren) kann eine ausreichende Luftwechselrate ACRaerosol für die Reduktion der Aerosole unter Umständen mit weniger Luftreinigern erreicht werden. Die überzähligen Geräte werden dann frei und können in weniger gut geschützte Räume umdisponiert werden.